Der Gesetzgeber bleibt auch auf dem Gebiet des Zivilprozessrechts aktiv, allerdings meist nur mit kurzfristigen punktuellen Änderungen. Rechtsprechung und Lehre sind weiter im Fluss bestätigen Bekanntes, entwickeln aber auch neue Fragen und Antworten.
Aber auch meine eigenen Ausführungen werden ständig überprüft und ggf. ergänzt, weiterentwickelt oder korrigiert.
All dies zeitnah abzubilden ist Sinn dieser Webseite, die auch die leider nicht mögliche laufende Aktualisierung der Online-Version des Buchs ersetzt.
Letzte Überarbeitung: 1.12.2024
Nachträge zum Abkürzungsverzeichnis
AK → Anwalt und Kanzlei (2013 ff.)
BRJ → Bonner Rechtsjournal (2007 ff.)
ct → ct magazin für computertechnik (1983 ff.)
FPPK → Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie (2007 ff.)
FuS → FuS Zeitschrift für Familienunternehmen und Strategie (2011 ff.)
KritV → Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (Bd. 1 [1859] bis 54 [1919] über https://tinyurl.com/5cm7mmm9 abrufbar)
MaMoG → Markenrechtsmodernisierungsgesetz
MHR → Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins
REL → REthinking: Law (20189/20-23)
WIR → Wissenswerte Informationen der RAK Nürnberg
Nachträge und Korrekturen zum Literaturverzeichnis
Arz, Die Parteiherrschaft im Zivilprozess und ihre Grenzen, JA 2024, 234238.
Balzer, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung im Zivilprozess, 5. Aufl. Berlin 2023 (Vorauflage: Balzer/Walther, 4. Aufl. 2018).
Berrer, Zivilrichterliche Prozessleitung, Berlin 2023 (zugl. Diss. Bremen 2022).
Enneccerus/Nipperdey, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Allg. Teil, 1. Hbd., 15. Aufl. Tübingen 1959.
Erler, Die Sprache des neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs, Berlin 1896, online unter https://tinyurl.com/mr8fv32h.
Felz/Kock, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 11. Aufl. 2015: Es handelt sich insoweit um einen bedauerlichen Fehleintrag.
Fischer, Christian, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, Tübingen 2007 (zugl. Habilitationsschrift Bayreuth 2006), zit. C. Fischer.
Fleindl/Haumer, Der Prozessvergleich, München 2016.
Gelbrich, 10 Fragen zum deutschen Berufungsrecht, Annales de la Faculté de Droit dIstanbul 68 (2019), 1536, online unter https://tinyurl.com/3akez892.
Gramlich/Lütke, Dringlichkeit(svermutung) und Selbstwiderlegung im Recht des geistigen Eigentums, NJ 2023, 469 ff.
Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. Bielefeld 1974 (statt 1979).
Hackenberg, Die Erklärung mit Nichtwissen (§ 138 IV ZPO), Berlin 1995 (zugl. Diss. Bremen 1994).
Heidel/Pauly (Hrsg.), AnwaltFormulare, 10. Aufl. Bonn 2021 (Vorauflage: Heidel/Pauly/Amend, 9. Aufl. Bonn 2018).
Heiden, auf der, Haftungsfallen der Anhörungsrüge, NJW 2023, 480 ff.
Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildung, Tübingen 1995 (zugl. Habilitationsschrift FU Berlin).
Hirtz/Oberheim/Siebert, Berufung im Zivilprozess, 7. Aufl. Köln 2023 (Vorauflage: 6. Aufl. Köln 2020).
Klose, Das Beweisverfahren das Zentrum des Zivilprozesses, NJ 2023, 243 ff. (zit. Klose, Beweisverfahren).
Koneberg, Das Problem der Bindungswirkung des unrichtigen Tatbestands, NJ 2023, 251 ff.
Kramer, Die Berufung in Zivilsachen, 9. Aufl. München 2022.
Leonhardt, Die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss, Berlin 2013 (zugl. Diss. Kiel 2010/2011).
Maaß, Anwaltstätigkeit im Beweisverfahren der Zivilprozessordnung, Aachen 2002 (zugl. Diss. Bielefeld 2002).
Makowka, Das humane Gericht: Ein Beitrag zur Entbürokratisierung der Gerichte, Hamburg 1991.
Meller-Hannich/Höland/Nöhre, Erforschung der Ursachen des Rückgangs der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten, Berlin 2023, abrufbar unter https://tinyurl.com/2e6ve4de.
Morell, Der Beibringungsgrundsatz, Tübingen 2022 (zugl. Habilitationsschrift Köln 2019).
Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, Tübingen 2019 (zugl. Diss. Freiburg 2017).
Prütting, Nutzen und Schaden der ZPO-Gesetzgebung, in: Bork/Eger/Schäfer, Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, Tübingen 2009, S. 114 (abrufbar unter https://tinyurl.com/bdcubaz8), zit. Prütting, ZPO-Gesetzgebung.
Prütting, Wahrheit im Zivilprozess? in: Adolphsen/Goebel/Haas/Hess/Kolmann/Würdinger (Hrsg.), FS Gottwald zum 70. Geburtstag, München 2014, S. 507516, zit. Prütting, Wahrheit.
Reinkenhof, Die Informationsbeschaffung durch Parteiaussagen im Zivilprozess unter Berücksichtigung der rechtsvergleichenden Perspektive, Hamburg 2012 (= Schriften zum Zivilprozessrecht, Bd. 29).
Schneider, Egon, Voten in zweiter Instanz, DRiZ 1976, 137 ff. (zit. E. Schneider, Voten).
Schneider, Norbert, Vorsicht Falle: Keine Gerichtskostenermäßigung bei § 91a-Beschluss unter Verzicht auf Rechtsmittel und Gründe, MKG FACHINFO-MAGAZIN, Hürth H. 2/2023, S. 11 f. (zit. N. Schneider, Vorsicht Falle).
Schubert/Glöckner, Nachschlagewerk des Reichsgerichts Gesetzgebung des Deutschen Reichs, Bd. 8 (Zivilprozessordnung §§ 1270), Frankfurt a.M. 2014 (jetzt zit.: RG-Nachschlagewerk).
Sojka/Heinz, Qualifizierte oder einfache elektronische Signatur? WIR 1/2023, 69
Stürner, Die Einwirkungen der Verfassung auf das Zivilrecht und den Zivilprozeß, NJW 1979, 23342338 (zit. Stürner, Einwirkungen der Verfassung).
Theimer/Theimer, Mustertexte zum Zivilprozess, Bd. II, 9. Aufl. München 2023 (Vorauflage: 8. Aufl. 2018).
Ude, Mit menschlicher Intelligenz, ct 2023, H. 20, S. 146 ff.
Vollkommer, Beschwerde: Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze im Anwaltsprozess mit Zusatz »i.A.«, MDR 2017, 197 f. (zit. Vollkommer, Unterzeichnung).
Volze, Sachverständigenfragen, 3. Aufl. Frankfurt a.M. 2010.
Zimmermann, Fehlerquellen und Haftungsfallen für den Anwalt beim Prozessvergleich, ZAP Fach 13, S. 21352150 (Nr. 21 v. 26.10.2016), zit. Zimmermann, Prozessvergleich.
Nachträge und Korrekturen zum Text
Vorbemerkung
Aufgrund der Missachtung der Regeln über die Setzung von Fußnotenzahlen (vgl. Wikipedia s.v. Fußnote) durch die Setzerei ist es vielfach zu sinnwidrigen Zuordnungen der Fußnotenzahlen gekommen. Dies betrifft insbesondere Fußnotenzahlen, die sich auf vorausgehende Texte in Klammern beziehen (siehe exemplarisch Rn. 650 Fn. 1363, Rn. 800 Fn. 1700 [gehört in den voranstehenden Klammerzusatz!] und Rn. 1368 Fn. 3187) und Doppelfußnotenzahlen nach dem Muster ...1000,1001 (siehe etwa Rn. 149: statt richtig »... lex specialis)366,367,« wurde falsch »...lex specialis),366,367« gesetzt und in Rn. 1039 muss es richtig heißen: »... Doppelklopftests2355.2356«).
Zu Rn. 2 Fn. 5
Kritisch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 1/2024 Anm. 6 unter D.
Zu Rn. 3
Die Abhandlung von Astrid Epp, Divergierende Konzepte von »Verfahrensgerechtigkeit« ist unter https://tinyurl.com/2f4paf8v abrufbar (zuletzt abgerufen am 29.1.2024).
Zu Rn. 8
Literaturhinweis:
Zu Rn. 32
Weitere Literatur:
Zu Rn. 35
Weitere Literatur:
Zu Rn. 37
Weitere Literatur:
Zu Rn. 45
Weitere Literatur:
Zu Rn. 46
Zum Bestreiten mit Nichtwissen siehe zuletzt etwa KG v. 23.2.2023 8 U 39/21, NJOZ 2023, 469 m. ausführlicher Besprechung Haumer/Dallmayer, jurisPR-PrivBauR 7/2023 Anm. 5
Zu Rn. 49 Fn. 132
Wie die herrschende Meinung auch LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 17.11.2023 5 Sa 141/22, BeckRS 2023, 35001 Rn. 31.
Zu Rn. 54
Unscharf Morell S. 7, wenn er davon spricht, es sei davon auszugehen, »dass die Partei, der die Tatsachen günstig sind, genau dies [das Sich-Zu-Eigen-Machen] tun wird«. Richtigerweise ist, wie im Buch dargestellt, zu unterstellen, dass die Partei dies regelmäßig tut.
Zu Rn. 105
Der Verweis muss richtig Rn. 767 lauten.
Zu Rn. 120
Literaturhinweis:
Zu Rn. 145 Fn. 360, 362
Wie die herrschende Meinung auch OLG Dresden NJW 2005, 906; NJOZ 2023, 604 Rn. 17.
Zu Rn. 155
Das Gericht hat einen nachgereichten Schriftsatz grundsätzlich dahin zu prüfen, ob etwa eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geboten ist (BGH GRUR 1979, 219 Schaltungschassis; NJW-RR 2007, 412 Tz. 4).
Zu Rn. 160
Zunächst weitere Hinweise zur Rechtsprechungsrecherche:
Mittelfristig werden die traditionelle Rechtsprechungsrecherche und die darüberhinausgehende Urteilsprognose zumindest teilweise durch Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) abgelöst. Entsprechende Überlegungen werden vor allem im anglo-amerikanischen Raum schon seit Jahren angestellt. Zur Urteilsprognose einige Literaturhinweise:
Urteilsprognose allgemein
Urteilsprognose mittels KI
Literaturhinweise zur Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen
Zu Fn. 402
Der Beleg »1964, 1103 (257)« muss richtig »VersR 1967, 256 (257)« lauten.
Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ging übrigens eine gleichsinnige Entscheidung des Reichsgerichts v. 19.6.1908 III 553/07, JW 1908, 526 (527) voraus (noch nach dem ALR, betreffend eine erhebliche Verschlimmerung eines unfallbedingten Nervenleidens durch einen langwierigen Prozess).
Fischer S. 109 f. bringt als Beispiel einer verdeckten Rechtsprechungsänderung die Bezeichnung einer solchen als »Klarstellung und Ausräumen von Missverständnissen im Schrifttum«.
Zu Fn. 411
Die URL lautet nunmehr: https://tinyurl.com/mt3earyu
Zu Fn. 419
Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel für einen irreführenden Leitsatz findet sich in OLG Hamm MDR 2024, 761 = ZIP 2024, 1204 = BeckRS 2024, 6092, in dessen amtlichem (!) Leitsatz 2 von Dispositionsmaxime die Rede ist, in den Entscheidungsgründen BeckRS 2024, 6092 Rn. 59 dann richtig von Beibringungsgrundsatz (allerdings in Rn. 63 dann wieder falsch von Dispositionsmaxime).
Zu den Missständen im Zusammenhang mit Leitsätzen eingehend Reinhard Walker, Die richterliche Veröffentlichungspraxis in der Kritik, JurPC-Web-Dok. 0034/1998 Abs. 86, abrufbar unter https://tinyurl.com/4czdytjm.
Zu Rn. 177
Der Verweis muss richtig Rn. 18181821 lauten.
Zu Rn. 186
Die im Schrifttum vertretene Unanfechtbarkeit der Nichtzulassungsentscheidung hat der Bundesgerichtshof in NJW-RR 2012, 126 Rn. 16 bestätigt.
Der Verweis muss richtig Rn. 18181821 lauten.
Zu Rn. 195
Weitere Literatur:
Zu Rn. 198
Weitere Literatur:
Zu Rn. 201
Nissen S. 652 f. leitet eine Pflicht zur wörtlichen Protokollierung aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh ab (die von ihm in Fn. 75 angeführten Entscheidungen EGMR 21.1.1999, 30544/96 Garcia Ruiz ./. Spain, https://tinyurl.com/46mj9fdn = NJW 1999, 2429 [auszugsweise dt. Übersetzung)] und EuGH 22.4.2015, Rs. C-120/14P Klein./.Kommission, Volltext abrufbar unter https://tinyurl.com/95ct2suk befassen sich aber nicht mit der Frage des Wortprotokolls).
Zu Rn. 244
Das OLG Oldenburg vertritt im Urt. v. 17.11.2015 2 U 46/15, BeckRS 2015, 129873 Rn. 25 und in NJW 2021, 244 Rn. 29 ebenfalls die Ansicht, dass das Unterlassen der Schlusserörterung einen Verfahrensfehler darstellt.
Zu Rn. 268
Der VI. ZS des Bundesgerichtshofs hat seine im Buch Rn. 268 dargestellte Rechtsprechung in seinen Entscheidungen v. 22.12.2015 VI ZR 101/14, BeckRS 2016, 2992 Rn. 4850 und NJW-RR 2023, 1356 Rn. 8 und 10 bestätigt.
Zu Rn. 279 Fn. 653
Ebenso BGH NZG 2021, 641 Rn. 17 und jetzt BAG v. 25.1.2024 6 AZR 119/23, BeckRS 2024, 9542 Rn. 21.
Zu Rn. 285 ff.
Konebergs Kritik am § 314 ZPO bringt keine neuen Erkenntnisse. Irritierend ist teilweise seine Begrifflichkeit, so etwa S. 252 die Formulierung »ganze[r] Tatbestand des Urteils und [...] Tatbestandsfeststellungen, die sich in den Urteilsgründen finden«.
Überzeugend hat Greger MDR 2022, 1076 f. erneut die Bedeutung der Tatbestandsberichtigung für ein Rechtsmittelverfahren dargestellt.
Zu Rn. 313
Dem OLG Brandenburg MDR 2023, 388 = BeckRS 2022, 32183 = NJ 2023, 31 zufolge könne »zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes« auch die Entscheidung des Erstgerichts überprüft werden, eine beanstandete Formulierung im Urteil gehöre nicht zum Tatbestand und könne deshalb nicht nach § 320 ZPO berichtigt werden.
Die Entscheidung, die von Musielak/Voit/Musielak § 320 Rn. 10 und BeckOK-ZPO/Elzer § 320 Rn. 54 im Ergebnis zustimmend zitiert wird, ist äußerst bedenklich, weil sie nicht unter die Ausnahme der Entscheidungsverweigerung fällt: Das LG Potsdam hatte in seinem Berichtigungsbeschluss v. 11.10.2022 52 O 128/19, BeckRS 2022, 32183 umfangreiche Tatbestandsberichtigungen vorgenommen und im streitgegenständlichen Fall aus sachlichen Gründen eine solche abgelehnt. Die »Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes« legitimiert nicht die Schaffung von Rechtsmitteln durch die Rechtsprechung gegen den ausdrücklichen Willen des Gesetzes. Es ist insoweit nachdrücklich an die Gesetzesbindung des Richters nach Artt. 20 Abs. 3; 97 Abs. 1 GG zu erinnern.
Zu Rn. 343 Rn. 765
Erneut BGH MDR 2024, 796; 10.7.2024 XII ZR 63/23, juris.
Zu Rn. 395
Statt § 408 ZPO muss es richtig § 409 ZPO heißen.
Zu Rn. 396, 568, 1449, 1859, 1950, 2017 (Umdeutung)
BGH NJOZ 2024, 599 Rn. 11 fasst die Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Umdeutung einer fehlerhaften Prozesshandlung wie folgt zusammen:
»Die Umdeutung einer fehlerhaften Prozesshandlung kommt in Betracht, wenn sie wegen ihrer Eindeutigkeit und Klarheit einer berichtigenden Auslegung nicht zugänglich ist, aber den Voraussetzungen einer anderen, den gleichen Zwecken dienenden entspricht, die prozessrechtlich zulässig ist. Die Umdeutung darf erfolgen, wenn ein entsprechender Parteiwille genügend deutlich erkennbar ist und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (vgl. BGH NJW 2018, 2497 = FamRZ 2018, 1343 Rn. 18 mwN). Die Prozesserklärung einer anwaltlich vertretenen Partei kann jedoch nur dann umgedeutet werden, wenn der zulässige Antrag noch innerhalb der dafür geltenden Rechtsmittelfrist gestellt worden ist (vgl. BGH NJOZ 2019, 907 mwN; NJW-RR 2016, 757 Rn. 11 mwN).«
Zu Rn. 407
Elzer MDR 2024, 352 spricht von »Nichturteil (Scheinurteil)«.
Zu Rn. 412
Elzer MDR 2024, 352 nimmt hier ein »Nichturteil (Scheinurteil)« an.
Zu Fn. 903
Ebenso Elzer MDR 2024, 352.
Zu Rn. 413 Fn. 905
OLG Celle MDR 2024, 189 nimmt insoweit ein Scheinurteil an.
Zu Rn. 468
Der Bundesgerichtshof bestätigt seine ständige Rechtsprechung in NJW-RR 2023, 1484 Rn. 8, 9. Wichtig ist, dass eine Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO wegen Unterlassung einer gebotenen Nachholung der Zulassungsentscheidung nur zulässig ist, wenn ein Grund für die Zulassung der Berufung vorliegt. Eine inhaltliche Überprüfung einer erfolgten Nachholung der Zulassungsentscheidung ist dagegen unzulässig (BGH NJW-RR 2012, 126 Rn. 16), es gibt keine »Berufungsnichtzulassungsbeschwerde« (so Toussaint FD-ZVR 2014, 353522).
Zu Rn. 498
Der Bundesgerichtshof bestätigt in seiner Leitsatzentscheidung MDR 2024, 1061 = FamRZ 2024, 1557 zunächst die dargestellten Grundsätze über die Behandlung von Fällen einer Abweichung der zugestellten beglaubigten Abschrift von der Urschrift. Die Besonderheit des Falles lag darin, dass das Ausgangsgericht wegen der Abweichung der Abschrift (der im Übrigen nicht aktenkundig verkündeten Entscheidung) eine zweite Abschrift zustellte und um die Rückgabe der ersten bat, einer Aufforderung, welcher der Anwalt auch nachkam. Hierin sieht der Bundesgerichtshof Rn. 11 einen ausnahmsweise wiedereinsetzungsbegründenden Umstand.
Zu Rn. 504
Der Bundesgerichtshof bestätigt seine ständige Rechtsprechung in seinem Urt. v. 17.10.2023 X ZR 96/21, GRUR-RS 2023, 31350.
Zu Rn. 528
Die Verfügungsgewalt des Berufungsgerichts über per beA eingereichte Schriftsätze bestimmt jetzt nach § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO.
Der Bundesgerichtshof hat dazu in NJW-RR 2023, 351 = MDR 2023, 184 = VersR 2023, 200 folgenden Grundsatz aufgestellt: »Ein über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichtes elektronisches Dokument ist erst dann gemäß § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO wirksam bei dem zuständigen Gericht eingegangen, wenn es auf dem gerade für dieses Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert worden ist.«
Fritzsche hat in seiner Anm. NZFam 2023, 180 zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht auf den (gar nicht existierenden) »für dieses Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär«, sondern auf die für das betreffende Empfangsgericht bestehende Zugriffsmöglichkeit (Posteingangsschnittstelle, Client) abzustellen ist, wovon der Bundesgerichtshof im weiteren Verlauf seiner Begründung auch selbst ausgeht (der Bundesgerichtshof benutzt übrigens den baden-württembergischen Empfangs-Intermediär für Gerichte, vgl. BGH NZA 2020, 1199 Rn. 9).
_____________________
Eine tückische Fehlerquelle stellt das neben dem Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) für die Verwaltungsabteilungen der Gerichte jeweils eingerichtete sog. besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) dar. Wird der Schriftsatz an dieses übersandt, führt dies zur Unzulässigkeit etwa einer Beschwerde (OLG Stuttgart NZFam 2024, 902 m. zust. Anm. Fritzsche). Diese Entscheidung entspricht der Rechtsprechung zur früheren Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax an eine Telefaxnummer einer Verwaltungsabteilung eines Gerichts oder einer sonstigen Justizbehörde (siehe dazu 6. Aufl. 2018 Rn. 324 m.w.N.).
Zu Rn. 530
Neuester Überblick von Vossler, Rechtsprechungsübersicht zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, MDR 2024, 474479.
Zu Rn. 531
Die erhöhte Sorgfaltspflicht des Anwalts besteht auch bei Übermittlung fristgebundener Schriftsätze im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das besondere elektronische Anwaltspostfach. Es gelten insoweit die zur Übermittlung per Telefax entwickelten Grundsätze, BVerwG NVwZ 2023, 1913 Rn. 15 ff.
Zu Rn. 533536
Der Bundesgerichtshof bestätigt die dargestellte ständige höchstrichterliche Rechtsprechung in den beiden folgenden Entscheidungen:
Bemerkenswert ist an diesen Entscheidungen, dass auch im Zeitalter des elektronischen Rechtsverkehrs die Weiterleitung einer mit beA eingereichten, wenn auch fehlerhaft an das Ausgangsgericht adressierten Berufungsschrift von der zentralen gerichtlichen Annahmestelle über das Ausgangsgericht an das am selben Ort ansässige Oberlandesgericht bis zu fünf Tage dauert, also nicht schneller ist als im analogen Zeitalter. Nach der zweiten Entscheidung des Bundesgerichtshofs sieht der »ordentliche« Geschäftsgang nämlich auch heute noch so aus:
Die Ursachen hierfür sind vielfältig und im Bereich der Justiz oder Justizverwaltung zu finden, wobei sich diese meist zu Lasten des Rechtssuchenden auswirken:
Angesichts dieser Situation und oberlandesgerichtlicher Bemerkungen wie das »Landgericht sei kein Erfüllungsgehilfe des Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Wahrung der Rechtsmittelfrist« (vgl. BGH v. 26.1.2023 I ZB 42/22, Rn. 9), bedarf die vielbeschworene Sicherung des »Justizstandorts Deutschland« noch erheblicher Anstrengungen, die sich nicht in der Einrichtung neuer, mehr oder weniger sinnvoller Spruchkörper erschöpfen dürfen. Vielmehr gilt es, »Rechtsprechung als Dienstleistung zu begreifen« (BT-Drs. 19/30043, S. 2; vgl. auch Makowka, passim; Meisenberg, Die Justiz als modernes Dienstleistungsunternehmen, in: Böttcher/Hueck/Jähnke (Hrsg.), FS für Odersky, Berlin 1996, S. 6180; siehe ferner Buch Rn. 1443 a.E. und 1973). Dies erfordert aber einen tiefgreifenden Bewusstseinswandel, wenn man sich den traditionellen Standpunkt zu Funktion und Arbeitsweise der Justiz vor Augen hält, wie er sich etwa in BGH NJW 2004, 2222 (2224) und WuM 2016, 122 sowie bei Günter Bertram, Die Rechtsprechung als Dienstleistung, MHR H. 4/1994 (siehe Materialien) findet und wie er nicht selten in richterlicher Verhandlungsführung (siehe dazu im Buch etwa Rn. 19721973) zum Ausdruck kommt (insoweit optimistischer Reinkenhof S. 27).
Der Dienstleistungscharakter richterlicher Tätigkeit steht auch hinter der Frage nach der Notwendigkeit eines Rechtsgesprächs:
Zu Rn. 538
Die persönliche Prüfpflicht des Rechtsanwalts hinsichtlich der richtigen Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts wird vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung v. 26.1.2023 I ZB 42/22, BeckRS 2023, 11699 Rn. 15 = NJW 2023, 1969 (nur tw. abgedruckt) = MDR 2023, 1000 (nur tw. abgedruckt) wie folgt erneut betont:
»So gewichtige Aufgaben wie die Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts darf auch gut geschultem und erfahrenem Personal eines Rechtsanwalts nicht eigenverantwortlich überlassen werden. Der Prozessbevollmächtigte einer Partei muss die Rechtsmittelschrift deswegen vor der Unterzeichnung auf die Vollständigkeit, darunter auch auf die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts überprüfen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 XII ZB 165/11, NJW 2012, 1591 [juris Rn. 30]; Beschluss vom 5. Juni 2013 XII ZB 47/10, NJW-RR 2013, 1393 [juris Rn. 11]; Beschluss vom 16. September 2015 V ZB 54/15, NJW-RR 2016, 126 [juris Rn. 9]; Beschluss vom 22. Juli 2015 XII ZB 583/14, FamRZ 2015, 1878 [juris Rn. 12]; BGH, NJW-RR 2017, 956 [juris Rn. 6]).«
Zu Rn. 598
Beispiele für Klagefristen sind
Zu Rn. 607
Kostenschuldner der Aktenversendungspauschale im Sinne von § 28 Abs. 2 GKG ist der Prozessbevollmächtigte (BGH NJW 2011, 3041, allg. Meinung, vgl. zuletzt etwa OVG Münster DÖV 2024, 540 = JurBüro 2024, 82), der seine Auslagen seinem Mandanten nach Vorb. 7 I VV-RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB (mit Umsatzsteuer) in Rechnung stellen kann.
Zu Rn. 620
Der Bundesgerichtshof bestätigt seine ständige Rechtsprechung in MDR 2023, 995 Rn. 9 = ZfBR 2023, 562 Rn. 9.
Zu Rn. 632 m. Fn. 1333
So auch KG v. 21.6.2023 26 U 7/20, BeckRS 2023, 14696 für den Übergang von einer erstinstanzlich abgewiesenen negativen Feststellungsklage zu einer Leistungsklage nach zunächst einseitiger Erledigterklärung.
Zu Rn. 637
Dieses an sich selbstverständliche Erfordernis (vgl. etwa BGH GE 2019, 538 = BeckRS 2018, 39920) wird von BGH NZI 2023, 259 = VersR 2023, 336 m. zust. Anm. Elzer FD-ZVR 2023, 455189 erneut in Erinnerung gerufen.
Zu Rn. 682 Fn. 1442
Statt BPatG GRUR 2999, 815 (817) muss es richtig BPatG GRUR 2000, 815 (817) heißen.
Zu Rn. 683 Fn. 1443
Die Entscheidung BGH 9.11.1977 VIII ZB 34/77 ist auch in MDR 1978, 307 = VersR 1978, 139 veröffentlicht. Eine weitere einschlägige Entscheidung: BGH NJW 1995, 764 (Identitätsverwechslung)
Zu Rn. 707 m. Fn. 1469
Zum unbestimmten Begriff, zum freien Ermessen und zur Koppelungsvorschrift siehe eingehend auch Engisch, Einführung S. 106 ff. m. Nachweisen zur Koppelungsvorschrift in Anm. 139c.
Zu Rn. 734
Der Bundesgerichtshof bestätigt in seinem Urt. v. 15.5.2024 VIII ZR 293/23, juris Rn. 16, 17 seine in Fn. 1514 nachgewiesene Rechtsprechung.
Zu Rn. 751773
Literaturhinweise:
Zu Rn. 758
Zu Fn. 1582
So wiederholt auch der Bundesgerichtshof:
Eine hervorragende Erörterung der Problematik gegnerischer Hinweise bietet Windau, »Hinweise« der Gegenseite lassen die Hinweispflicht des Gerichts nicht entfallen, ZPO-Blog v. 6.5.2018, abrufbar unter www.zpoblog.de/?p=6161.
Zu Fn. 1584
Der Bundesgerichtshof setzt seine Rechtsprechung in den Beschl. v. 11.5.2023 V ZR 203/22, BeckRS 2023, 17364 und v. 15.5.2023 VIa ZR 1332/22, juris Rn. 10 fort.
Zu Rn. 759
BFH BFH/NV 2024, 403 Rn. 6:
»Ob der Richter [...] die Pflicht zur Neutralität und Unparteilichkeit verletzt ist nicht allgemein und abstrakt klärbar, sondern kann allein anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden; denn Inhalt und Umfang der Hinweispflichten des § 76 Abs. 2 FGO richten sich wesentlich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls (vgl. BFH-Beschlüsse vom 04.06.2003 X B 16/02, BFH/NV 2003, 1212 unter II. 1. a bb; vom 16.03.2016 X B 202/15, BFH/NV 2016, 1050, Rz 14).«
Zu Rn. 760
Die aufgeführten Grenzen dürfen nicht mit der Frage der Schlüssigkeit des Klagevortrags verwechselt werden. Für sie gilt: Unterlässt der Kläger eine schlüssige Klagebegründung, so hat das Gericht nach § 139 ZPO auf den Mangel der Klagebegründung hinzuweisen (so die höchstrichterliche Rechtsprechung seit RG v. 13.2.1906 II 286/05, RGZ 62, 384 [385]).
§ 139 Abs. 1 S. 2 ZPO verpflichtet nicht, eine Partei zur Benennung weiterer möglicher Beweismittel aufzufordern, OLG Bamberg MDR 2024, 1109 = NJOZ 2024, 946 Rn. 17.
Zu Rn. 763, 765
Der Bundesgerichtshof bestätigt in GRUR-RR 2023, 463 Rn. 12, 16 = WRP 2023, 1467 Terra greca die im Buch dargestellte herrschende Meinung zu Adressat, Inhalt und Form eines richterlichen Hinweises.
_____________________
Neben kryptischen Hinweisen gibt es noch versteckte und schlicht sinnlose Hinweise:
BFH 16.3.2016 X B 202/15, BFH/NV 2016, 1050 Rn. 22: »Hinweise, die nicht ausdrücklich, sondern lediglich versteckt vorgenommen werden, gewährleisten die Erfüllung des mit der Vorschrift des § 76 Abs. 2 FGO verbundenen Zwecks regelmäßig nicht in ausreichender Weise.«
Reinelt (oben Literaturhinweise zu Rn. 751773) berichtet über einen sinnlosen Hinweis:
»Die Instanzgerichte lassen eine Aufrechnungserklärung des Beklagten gegenüber einer unstreitigen Klageforderung unberücksichtigt. Die Aufrechnungsforderungen übersteigen die Klageforderung. Der Hinweis des Gerichts lautet: Es erscheint nicht sinnvoll, mit die Klageforderung übersteigenden Forderungen aufzurechnen.
Was soll die Partei mit einem solchen Hinweis anfangen? Sie verweist erneut auf die Reihenfolge, in der sie die Aufrechnung geltend gemacht hat. Der Hinweis des Gerichts ist inhaltlich falsch, weil die Partei die Reihenfolge der Aufrechnungsforderung vorschreiben kann (§ 396 Abs. 1 S. 1 BGB). Ist keine Reihenfolge vorgegeben, ergäbe sich diese aus § 396 Abs. 1 Ziff. 2 i.V.m. § 366 BGB.
Der Hinweis ist aber abgesehen von der inhaltlichen Unrichtigkeit auch unverständlich. Er artikuliert die tatsächlichen Bedenken des Richters nicht in nachvollziehbarer Weise. Der Richter hatte dazu in der Gerichtsakte vermerkt: Bis zu welcher Höhe?
Damit hat der Richter aber eben nur für das Gericht in der Akte festgehalten, der Beklagte solle angeben, bis zu welcher Höhe die letzte zur Aufrechnung gestellte Forderung verbraucht wird, wenn der Restbetrag die Klageforderung übersteigt. Auch das ist unrichtig. Auf eine solche Angabe kommt es nicht an. Die (teilweise) Tilgung der Aufrechnungsforderung bis zur Höhe der Klageforderung ergibt sich automatisch bei Prüfung der Gegenforderungen in der maßgeblichen Reihenfolge.
Bezeichnend ist aber die Divergenz zwischen der Aussage in der aktenkundigen Notiz und dem Hinweis, der den Parteien gegeben wurde: In der Akte vermerkt der Richter seine Bedenken konkret und nachvollziehbar (wenngleich unrichtig), aus dem erteilten Hinweis lassen sie sich letztlich nicht erschließen.«
Zu Rn. 764 Fn. 1621
Der Verweis muss richtig Rn. 759 lauten.
Zu Rn. 767
Der Bundesgerichtshof bestätigt in GRUR-RR 2023, 463 Rn. 16 = WRP 2023, 1467 Terra greca auch die herrschende Meinung zum Zeitpunkt eines richterlichen Hinweises, lässt es aber in Rn. 19 offen, ob es erforderlich sei, auch ohne Antrag auf Einräumung einer Schriftsatzfrist der betreffenden Partei eine solche einzuräumen.
Zu Rn. 784
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urt. v. 1.2.2024 VII ZR 171/22, juris seine in Fn. 1678 genannte neuere Rechtsprechung, dass eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO nicht zwingend erfolgen muss, für den Fall der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erstinstanzlichen Gerichts fortgesetzt und gefordert, dass eine Zurückverweisung grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn aufgrund des Verfahrensmangels außerdem eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist.
Zu Rn. 791793
Die unscharfe Terminologie findet sich auch bei Prütting, Wahrheit S. 507: Zunächst wird zutreffend festgestellt, dass »Wahrheit den Geltungsanspruch einer Aussage bzw. eines Urteils über einen Sachverhalt im Hinblick auf objektive Gegebenheiten darstellt« Wenig später heißt es aber: »Der Begriff der Wahrheit als Übereinstimmung von Denken und Tatsache (Korrespondenztheorie) [...]« (Hervorhebungen N.D.).
Zu Rn. 803, 804
Allgemeinkundig sind ferner
Zu Fn. 1717
Wie die zitierte herrschende Rechtsprechung schon OLG Frankfurt a.M. OLGReport 1999, 193 = CR 2000, 312 = BeckRS 1999, 13563 für die Stellung einer Person als verantwortlicher Redakteur einer Zeitschrift und damit als Verantwortlicher für eine presserechtliche Richtigstellung.
Ablehnend dagegen auch Voß, Informatisierung richterlicher Überzeugungsbildung oder: Wann darf der Richter googeln?, ZZP 135 (2022), 429459 mit umfangreicher, aber über die bekannten Argumente nicht hinausführender Argumentation, insbesondere dem erneuten Rückgriff auf »die zivilprozessualen Grundprinzipien des Strengbeweises und des Beibringungsgrundsatzes« (S. 458 unter 3). Auch im Detail sind die Ausführungen nicht bedenkenfrei, so etwa, wenn S. 445 erörtert wird, dass die Deutsche Börse AG keine Behörde sei, obwohl dies für die Allgemeinkundigkeit der von ihr veröffentlichten Börsenkurse völlig irrelevant ist (vgl. zur Allgemeinkundigkeit von in Zeitungen veröffentlichten Börsenkursen im Buch Rn. 803). Soweit S. 446 die Klärung von örtlichen Gegebenheiten durch Einsichtnahme in Google Earth/Google Maps anstelle eines Ortstermins zutreffend für zulässig erachtet wird, fehlt eine Darstellung des durchaus nicht einheitlichen Meinungsstandes (siehe Buch Fn. 1724).
Zu Rn. 805
Ude betont zu Recht, dass der vielfältigen Fehleranfälligkeit der »Wikipedia« nur durch ein kritisches Durcharbeiten
in jedem (!) Einzelfall begegnet werden kann. Dies wird aber von den Gerichten leider kaum beachtet (siehe exemplarisch die in Fn. 1735 sowie die folgend genannten Entscheidungen).
Zu Fn. 1735
Als weitere Bespiele unkritischen Arbeitens mit der »Wikipedia« sind zu nennen LG Stuttgart v. 24.11.2010 39 O 71/10 KfH, juris Rn. 23 (zum Begriff Taxizentrale); LG Hamburg v. 16.3.2016 332 O 282/14, juris Rn. 99 (zum Begriff Charter) und die Fn. 1729 genannte Entscheidung des BayVGH v. 30.1.2018, bei der es unerfindlich ist, warum man nicht das seit 1894 für die Klärung medizinischer Begriffe maßgebliche »Klinische Wörterbuch« von Pschyrembel befragt hat, das in jeder besseren Gerichtsbibliothek (und in der Handbibliothek gut geführter Arzthaftungs- und Verkehrszivilsenate) aufliegen dürfte.
Zu Fn. 1736
Einen besonders krassen Fall eines fehlerhaften juristischen Wikipedia-Artikels stellt der Artikel »Verhandlungsgrundsatz« dar. Dort heißt es seit der Erstfassung vom 22.8.2003: »Historisch ist der Verhandlungsgrundsatz auf die bürgerlich-liberale Werteordnung des beginnenden 20. Jahrhunderts zurückzuführen.« (Bearbeitungsstand: 19. Juli 2024, 19:02 UTC) Dass sich der Begriff bereits bei Nikolaus Thaddäus Gönner, Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses, 2. Aufl. Erlangen 1804, Bd. 1, S. 176 samt Definition (a.a.O. S. 183) findet und als typisch für den gemeinen deutschen Prozess bezeichnet wird, wird nicht erwähnt (dass Gönner den Begriff auch für den heutigen Dispositionsgrundsatz verwendete, ist in diesem Zusammenhang irrelevant). Ebenso abwegig ist der nächste Satz: »Seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ist diese Grundlage des Zivilprozessrechts kontinuierlich zurückgedrängt worden.« (siehe dagegen zur Entwicklung des Beibringungsgrundsatzes Buch Rn. 909). Der Erstverfasser und die nachfolgenden Bearbeiter dieses Artikels haben falls sie überhaupt Volljuristen sein sollten ersichtlich keinerlei Kenntnisse der Geschichte des Zivilprozessrechts.
Zu Fn. 1737
Wie Höhne auch Marie Herberger, Wikipedia und die wissenschaftliche Wahrheit eine exemplarische Rechtsprechungsanalyse, GVRZ 4/1 (2021), 3037, online unter https://tinyurl.com/2wy6djfp
Zu Rn. 807
Weiterer Literaturhinweis:
Zu Rn. 808
Modeausdrücke und sonstige Wortneuschöpfungen lassen sich zuverlässig auch mittels des Neologismenwörterbuchs des OWID (Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch), https://tinyurl.com/42v56zd6 ermitteln.
Zu Rn. 809
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird in Rn. 796 wiedergegeben (der Verweis nennt versehentlich Rn. 798).
Zu Rn. 811 Fn. 1744
Die Minderheitsmeinung wird auch von OLG München v. 22.11.2019 8 U 2990/19, BeckRS 2019, 54925 Rn. 8 unter Berufung auf Zöller/Greger § 291 Rn. 2a vertreten.
Zu Rn. 815 m. Fn. 1754
Auch Hergenröder vertritt S. 132 die Ansicht, die Parteien könnten entgegen »jeglicher Lehrbuchweisheit« den »Sachverhalt im Hinblick auf die begehrte Rechtsfolge« konstruieren, ja erfinden. Diese Verteidigung von »Tatsachenfixierung« oder »Tatsachendisposition« jenseits des klassischen Beweisvertrags (vgl. zu diesem etwa Dickhoff, Die Rechtsnatur und Wirksamkeit von Beweisvereinbarungen nach geltendem Prozeßrecht, Diss. Göttingen 1932; Schüller, Die Wirksamkeit von Beweisverträgen nach geltendem Prozeßrecht, Diss. Göttingen 1932; Gerhard Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, Bonn 1935; Otto Knecht, Die Beweisverträge im Zivilprozeß, Diss. Freiburg 1937; Karl Wilhelm Eickmann, Beweisverträge im Zivilprozeß, Diss. Bochum 1987) findet sich in neuerer Zeit verstärkt. Zu nennen sind hier etwa
Warum Parteien für einvernehmlich unwahren Vortrag (oder gar Manipulation der ausstehenden Beweiswürdigung, vgl. den Fall OLG Köln VersR 1997, 597 [einvernehmliche Vernichtung einer Kaufvertragsurkunde im Zusammenhang mit einer Schwarzgeldabrede]) sanktionslos staatlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen dürfen, wird nicht überzeugend dargelegt. Abgesehen davon, dass die im Buch geschilderten Möglichkeiten eines Richters zur Aufdeckung solcher schriftsätzlich vorgetragener Unwahrheiten, insbesondere die Parteianhörung von Amts wegen (wie im Fall OLG Hamm MDR 2024, 761 = ZIP 2024, 1204 = BeckRS 2024, 6092 Rn. 26) nicht gesehen werden, wird verkannt, dass es seit langem herrschende Meinung ist, dass der Beibringungsgrundsatz keine Bindung an ein Geständnis oder Unstreitigstellen verlangt, wenn
Die Rechtsprechung hat sich abgesehen von einem anfänglichen Fehlgriff solchen Bestrebungen insbesondere im Zusammenhang mit den häufigen Schwarzgeldabreden erfreulicherweise widersetzt:
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass Vereinbarungen der Parteien über eine bestimmte Würdigung erhobener Beweise unzulässig sind (RGZ 96, 57 [59]); BGHZ 121, 379 = juris Rn. 65 = NJW 1993, 1856 [1860]; LAG Hamm LAGReport 2005, 2 unter II 2.1; h.L., etwa Holger Jäckel, Beweisvereinbarungen, Berlin 2007, S. 125 ff. und Prütting/Gehrlein/Laumen § 286 Rn. 108; a.A. Rieländer Rn. 9 unter Hinweis auf Schlosser, Einverständliches Parteihandeln im Zivilprozess, Tübingen 1968, S. 89 und Wagner S. 692 ff.).
Zu Rn. 824 Fn. 1770
Zur Rechtslage in der Schweiz: Leuenberger (auch in »Behaupten, Bestreiten und Beweis«, Vortrag vom 8.11.2007 in Aarau, abrufbar unter https://tinyurl.com/434s5b3s [erneut abgerufen am 10.10.2024]) und Raoul A. Meier, Die Behauptungs-, Bestreitungs- und Substantiierungslast im ordentlichen und vereinfachten Verfahren nach dem Verhandlungsgrundsatz der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Diss. Basel 2013 (abrufbar unter https://tinyurl.com/5n9264vc), Rn. 57, 58 vertreten die Ansicht, dass ein überschießendes Beweisergebnis grundsätzlich zu berücksichtigen sei.
Zu Rn. 827
Das Bundesverfassungsgericht bestätigt in NJW 2023, 2712 mit Anm. Toussaint FD-ZVR 2023, 458327 seine ständige Rechtsprechung.
BGH NJOZ 2024, 1141 Rn. 25: Verwendung von Leerformeln steht kommentarlosem Übergehen gleich
Zu Rn. 833 Fn. 1807
Bereits Rolf Stürner, Die Einwirkungen der Verfassung auf das Zivilrecht und den Zivilprozeß, NJW 1979, 2334 (2338) hatte zu Recht davor gewarnt, in das hochausdifferenzierte Zivilprozessrecht ohne zwingenden Grund mit verfassungsrechtlichen Erwägungen einzugreifen.
Zu Rn. 844 Fn. 1839
Eine eigenwillige Inanspruchnahme eigener Sachkunde zur Prüfung der Echtheit einer Urkunde findet sich in folgender Überlegung des Kammergerichts im Urt. v. 23.2.2023 8 U 39/21, NJOZ 2023, 469 Rn. 57: »Der Senat ist derzeit [?] von der Echtheit der Anlagen K 1, K 8, K 9, K 15, K 17 und K 18 überzeugt [...].«
Zu Rn. 845847
Der Bundesgerichtshof hat die höchstrichterlichen Grundsätze zur Inanspruchnahme eigener Sachkunde in MDR 2024, 620 f. m. lesenswerter Besprechung von Laumen a.a.O. 622 bestätigt.
Zu Rn. 885
Der Bundesgerichtshof hat in NJW 2023, 1734 erfreulich klar das Recht einer zivilprozessualen Partei auf Akteneinsicht in Ermittlungs- oder Strafakten aus § 432 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit §§ 474 Abs. 1, 479 Abs. 4 S. 2 und 3 StPO und die hierfür maßgeblichen Regeln bestätigt. Er liegt damit auf einer Linie mit der in Rn. 930 erwähnten Entscheidung StGH BW NJW 2015, 1869 f.
Die Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass allein ein Hinweis im Sitzungsprotokoll, beigezogene Akten hätten vorgelegen und seien Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei, nicht hinreichend aussagekräftig sei, hat eine lange Tradition, wie die Entscheidung RG v. 14.6.1906 VI 396/05, RG-Nachschlagewerk § 143 Nr. 1 ZPO zeigt.
Zu Rn. 892 Fn. 1921
Wie die herrschende Meinung auch OLG Dresden 28.5.2024 4 U 676/24, NJ 2024, 405 Rn. 6 (insoweit in MDR 2024, 1250 nicht abgedruckt).
Zu Rn. 898901
Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschl. v. 21.12.2023 III ZR 21/23, BeckRS 2023, 42797 Rn. 15 ff. die für eine Bejahung der Unerreichbarkeit eines Zeugen geltenden Regeln wie folgt zusammengefasst:
Zu Rn. 903
Weitere Literaturhinweise:
Die Justizdigitalisierungs-VO v. 13.12.2023 (ABl. L vom 27.12.2023, https://tinyurl.com/y29h8zds) gilt ab dem 1.5.2025 (Art. 26 Abs. 2).
Zu Rn. 908, 909
Literaturhinweise:
____________________
Das relativ häufige gerichtliche Argumentieren mit Prozessgrundsätzen ist nicht selten fehlerhaft, überflüssig oder zumindest irritierend, wie etwa folgende Entscheidungen zeigen:
Zu Rn. 923
Auch Morell weist auf S. 7 darauf hin, dass die »Gerichte von ihren Beweiserhebungsbefugnissen, insbesondere von denen nach § 142 ZPO, nur sehr zurückhaltend Gebrauch« machen. Soweit er sich insoweit allerdings auf die Untersuchung von Hommerich/Prütting/Ebers/Lang/Traut (Untersuchungszeitraum 2005) beruft, ist dies problematisch, weil er zum einen die berichteten Zahlen ungenau wiedergibt (wie übrigens auch schon Prütting, ZPO-Gesetzgebung S. 9; die differenzierten Werte finden sich bei Berrer S. 72) und zum anderen nicht geprüft hat, ob dies auch noch 2019 (dem Jahr des Abschlusses seiner Habilitationsschrift) zutraf.
Die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts sind wie folgt nachzutragen: Der Anteil der Termine mit Beweisaufnahme an den erledigten Verfahren sank bei den Amtsgerichten von 9,5% (2005) über 5,5% (2015) und 5,0% (2019) auf 3,82% (2023), bei den Landgerichten von 14,6% (2005) über 10,9% (2015) und 8,9% (2019) auf 9,15% (2023). Eine Aufschlüsselung nach Beweismittelart und/oder Anordnungsgrundlage fehlt. Die Auswertung von 660 Akten aus drei verschiedenen Landgerichten für 2015 und 2019 durch Meller-Hannich/Höland/Nöhre und Mitarbeiter ergab, dass der Beweis vorrangig durch Zeugen und Sachverständige erfolgt, während Augenschein und Parteivernehmung nahezu keine Bedeutung haben (a.a.O. S. 219 f.).
Zu Rn. 927 Fn. 2022
Neuere Literatur zum Sachverständigen als Berater des Gerichts:
Zu Rn. 928
Literaturhinweise:
Zu Rn. 932 Fn. 2035
Im Ergebnis ebenfalls ablehnend Klose, Beweisverfahren S. 245 f. unter I 1 lit. l), wonach das Anordnen eines Sachverständigengutachtens darüber auch dann unzulässig sei, wenn die Rechtsfragen »Randgebiete« des Rechts betreffen.
Zu Rn. 934
Exemplarisch für die Problematik arbeitsersparender Ermittlung ausländischen Rechts ist die Entscheidung OLG München, Hinweisbeschl. v. 18.10.2021 10 U 3808/21e, DAR 2022, 566 = BeckRS 2021, 49175 Rn. 32, wo man sich mit einem bloßen Rückgriff auf eine literarische Abhandlung zum kroatischen Schadensersatzrecht begnügte und nicht auf die ausländischen Primärquellen zurückgriff, obwohl eine solche Vorgehensweise im Schrifttum zu Recht als bedenklich angesehen wird (vgl. Christoph Lafontaine, Der EU-Auslandsunfall in der Praxis des deutschen Kfz-Haftpflichtprozesses, ZAP Fach 9, 909918 [Nr. 4 v. 17.2.2016], S. 915). Der Verweis des Senats auf die Kommentierung bei Thomas/Putzo und die dort aufgeführte Entscheidung BGH NJW 1992, 2026 ist nicht zielführend, weil in der BGH-Entscheidung liechtensteinisches Recht in Mitten stand, das für ein deutsches Gericht naturgemäß kaum Erkenntnisschwierigkeiten bereiten wird. Die Schwierigkeiten bei der Ermittlung kroatischen Rechts dagegen mussten dem Senat eigentlich aus seinem Verfahren 10 U 3433/09, BeckRS 2009, 143889 bekannt gewesen sein, wo immerhin ein Sachverständiger des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht mit der Gutachtenserstattung gescheitert war.
Zum Scheitern verurteilt war auch der Versuch des Kammergerichts, sich bei der Ermittlung lettischen Zivilprozessrechts mit der im Internet erhältlichen offiziellen Übersetzung der lettischen Zivilprozessordnung zu begnügen. Der Bundesgerichtshof forderte in seiner Entscheidung v. 12.10.2023 (MDR 2024, 63 = WM 2023, 2270 = ZIP 2024, 1287 = BeckRS 2023, 33763 Rn. 20, 21, 27) zu Recht nachdrücklich, die ausländische Rechtspraxis zu ermitteln, vorzugsweise durch ein Gutachten.
Zu Rn. 935
Eine aktuelle Arbeitshilfe bieten die vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht im Oktober 2023 veröffentlichten »Hamburger Leitlinien zur Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts in deutschen Verfahren für Gerichte, Sachverständige und Parteien« (HbgLL), abrufbar unter https://tinyurl.com/v5b2zs7j (als PDF unter https://tinyurl.com/55mtka4c). Siehe dazu auch Michaels/Schmidt, Die Hamburger Leitlinien zur Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts in deutschen Verfahren, NJW 2024, 2429.
Diese Leitlinien sind sehr hilfreich, man sollte sie aber nicht unbesehen anwenden. So ist etwa Art. 2 § 3 Nr. 4 HbgLL sehr problematisch:
____________________
Der Verweis in Fn. 2040 muss richtig 2379 lauten.
____________________
Weitere Literatur:
Zu Rn. 941957
Die Parteianhörung nach § 141 ZPO kann nach wohl h.M. grundsätzlich auch durch den ersuchten oder beauftragten Richter (§§ 361, 362 ZPO) erfolgen (so BGH NJW-RR 2016, 583 [584] außer im Fall eines zwingend notwendigen unmittelbaren Eindrucks etwa bei Anhörung einer 93-jährigen Schuldnerin wegen Suizidgefahr im Vollstreckungsschutzverfahren; OLG Zweibrücken JW 1919, 518; OLG Hamburg JW 1930, 1089; OLG Köln MDR 1986, 152 für die Anhörung durch den beauftragten Richter, soweit es nicht entscheidend auf den persönlichen Eindruck der Parteien ankommt; OLG Brandenburg v. 8.6.2023 1 AR 14/23 [SA Z], BeckRS 2023, 14087 = NZV 2023, 566 m. zust. Anm. Krenberger; AK-ZPO/Schmidt §§ 141144 Rn. 9 für die Anhörung durch den beauftragten Richter; Zimmermann § 141 Rn. 4 für die Anhörung durch den beauftragten Richter; Saenger/Wöstmann § 141 Rn. 5; BeckOK-StVR/Türpe § 249 BGB Rn. 283; a.A. RG v. 20.11.1908 III B. 289/08, RG-Nachschlagewerk § 141 Nr. 1 [Ls.] = SeuffA 64 [1909], 242 [243]; OLG Braunschweig SeuffA 61 [1900], 461 [462] für die Anhörung durch den beauftragten Richter; MüKo-ZPO/Fritzsche § 141 Rn. 16 ohne Erwähnung der gegenteiligen Rechtsprechung; StJ/Althammer § 141 Rn. 26; Wieczorek/Schütze/Smid/Hartmann § 141 Rn. 51; Thomas/Putzo/Seiler § 141 Rn. 2; Zöller/Greger § 141 Rn. 6; Musielak/Voit/Stadler § 141 Rn. 11; widersprüchlich Anders/Gehle/Bünnigmann § 141 Rn. 19: grds. möglich, aber: »Eine Anhörung durch den ersuchten/beauftragten Richter wird in der Praxis indes häufig ausgeschlossen sein. Sie ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn es auf den wie häufig unmittelbaren Eindruck von der Parteianhörung ankommt ...«; offengelassen von Zimmermann § 141 Rn. 4 im Hinblick auf § 141 Abs. 1 S. 2 ZPO für die Anhörung durch den ersuchten Richter).
Der etwaig notwendige unmittelbare Eindruck lässt sich im Übrigen, worauf Krenberger a.a.O. hingewiesen hat, durch eine Videovernehmung gewinnen. Der Bundesgerichtshof bestätigt dies in seinem Beschl. v. 21.12.2023 III ZR 21/23, BeckRS 2023, 42797 Rn. 15 wie folgt: »Selbst wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein persönlicher Eindruck unverzichtbar ist, hat es zu erwägen, ob es den im Ausland lebenden Zeugen gemäß § 128a Abs. 2, § 284 Satz 2 ZPO im Wege der Bild- und Tonübertragung vernehmen will [...].«
Auch der Gesetzgeber sieht das so, siehe § 141 Abs. 1 S. 2 ZPO in der seit dem 19.7.2024 geltenden Fassung: »Das Gericht kann das persönliche Erscheinen auch als Teilnahme an einer Videoverhandlung nach § 128a gestatten oder anordnen.«
____________________
Über aktuelle Entwicklungen im Bereich der Videoverhandlung (die übrigens schon 2001 in der ZPO vorgesehen wurde, vgl. Ulf Andreas Nissen, Die Online-Videokonferenz im Zivilprozess, Frankfurt a.M. 2004 [zugl. Diss. Kiel 2002]), berichten
Zu Rn. 961
Die hier dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze finden sich auch in OLG Oldenburg NJW 2021, 244 = DS 2020, 294.
Zu Rn. 972
Eine sehr interessante Behandlung des Themas richterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung bietet Beltran, Legal Proof And Fact Finders Beliefs, Legal Theory 12 (2006), 293314.
Zum Rückschaufehler siehe auch v. Kummer/v. Schlippe, Hindsight Bias der Rückschaufehler, FuS 2022, 118 ff.
Zu Rn. 989990
Ungenau auch Arz in seinem aktuellen Aufsatz über die Parteiherrschaft im Zivilprozess und ihre Grenzen, wenn er schreibt: »Allerdings darf der Richter gem. § 286 I 1 ZPO im Rahmen der Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugungsbildung auf eine Parteierklärung stützen, auch wenn sie außerhalb einer förmlichen Parteivernehmung erfolgt ist.« Die von ihm angeführten Entscheidungen BGH NJW-RR 2018, 249 Rn. 12 und NJW 2023, 983 Rn. 19 erlauben dem Tatrichter nicht etwa, den Parteivortrag, insbesondere das Ergebnis einer Parteianhörung zu verwerten das steht ja als Befehl im Gesetz, sondern sich allein hierauf zu stützen. In NJW-RR 2018, 249 Rn. 12 heißt es: »Dem Tatrichter ist es nach § 286 ZPO jedoch grundsätzlich erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist [...].« (Hervorhebung N.D.) Auch in der von Arz paraphrasierten Stelle NJW 2023, 983 Rn. 19, die ausdrücklich auch die vorgenannte Entscheidung als Beleg anführt, liegt der Schwerpunkt auf der Zulässigkeit, sich allein aufgrund einer Parteiaussage eine Überzeugung zu bilden (so auch der amtlichen Leitsatz a).
Zu Rn. 994
Ebenso jetzt auch LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 17.11.2023 5 Sa 141/22, BeckRS 2023, 35001 Rn. 33.
Zu Rn. 995
Zu der Minderheitsmeinung im Schrifttum ist auch Maaß zu rechnen, der sich S. 314 wie die im Buch Fn. 2215 genannten Autoren weder mit den Gesetzesmaterialien noch mit dem Wortlaut des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO auseinandersetzt. Sein Rat an Anwälte, »das Gericht zu Beginn der Befragung um eine klarstellende Mitteilung bitten, ob es eine Parteivernehmung oder eine Anhörung nach § 141 ist«, und zwar »unabhängig davon, ob das Gericht im Beweisbeschluß die Parteivernehmung angekündigt hatte«, entbehrt einer Rechtsgrundlage und wird im Fall eines bereits vorliegenden Beweisbeschlusses dem Rechtsanwalt die Reputation eines ernsthaften Gesprächspartners entziehen.
Zu Rn. 996-1016
Weiterer Literaturhinweis:
Zu Rn. 1002
Etwas anderes soll nach der insoweit nicht näher begründeten Entscheidung BGH MDR 2023, 794 = VersR 2023, 1461 = NJ 2023, 315 (m. zust. Anm. Klose) = NJOZ 2023, 602 Rn. 15 gelten, wenn der Untersuchungsgegenstand nach der Erstellung eines Privatgutachtens vernichtet wurde. Dies soll sich Klose zufolge »aus der Bedeutung des Privatgutachtens für die Beweiswürdigung« ergeben. Im Hinblick darauf, dass Privatgutachten nicht selten erhebliche Mängel und Einseitigkeiten aufweisen, erscheint dies problematisch, ganz abgesehen davon, dass weder dargelegt wird noch sonst erkennbar ist, warum ein solches Parteiverhalten schützenswert sein soll.
Zu Rn. 1011
Der in Fn. 2258 nachgewiesenen herrschenden Meinung folgt auch Kurpat S. 173 (sub VII).
Die herrschende Meinung wird dagegen von Eschelbach/Geipel, Parteianhörung Die Verwertung im Rahmen der Beweiswürdigung, MDR 2012, 198 (199 sub III 2 lit. a und 3) abgelehnt, wobei sie bezeichnenderweise die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung (zu den zitierten Entscheidungen tritt noch RG, Urt. v. 3.1.1921 VI 390/20, RG-Nachschlagewerk § 141 Nr. 2) nicht erwähnen.
Soweit Maaß, S. 315 Anwälten für den Fall der Abwesenheit der gegnerischen Partei rät, das Gericht auf die Notwendigkeit eines Beweisbeschlusses hinzuweisen und den Mandanten zur Aussageverweigerung zu raten, ist diese Empfehlung zweifelhaft, wie Maaß angesichts der im Buch geschilderten Rechtslage selbst einsieht, ganz abgesehen davon, dass es für eine Parteianhörung keines Beweisbeschlusses bedarf und es einen solchen auch nicht geben kann, weil die Anhörung keine Beweisaufnahme ist (vgl. Buch Rn. 836).
Zu Rn. 1015
Wie die herrschende Meinung auch LG Lübeck v. 10.8.2023 9 O 93/22, juris Rn. 20.
Die Behauptung von Maaß S. 315, es sei »keine Entscheidung eines Gerichts bekannt, in der das Gericht bei einer solchen Konstellation [Abwesenheit des Gegners] aus einem Schweigen der Partei bei der Parteianhörung nachteilige Schlüsse gezogen hätte« (ebenso Saueressig § 5 Rn. 109), ist unzutreffend, wie RG v. 3.1.1921 VI 390/20, RG-Nachschlagewerk § 141 Nr. 2 zeigt, wo es heißt: »Das Gericht kann einer persönlich befragten Partei Glauben schenken, auch wenn die andere Partei nicht zugegen ist; eine gesetzliche Vorschrift, durch die die Befragung einer Partei in Abwesenheit der anderen verboten wäre, gibt es nicht.« Diese Grundsätze gelten selbstredend auch für den Fall, dass eine Partei eine Frage nicht beantwortet. Diese spätestens seit 2014 leicht zugängliche Entscheidung hätte von Saueressig jedenfalls in der 4. Aufl. 2019 berücksichtigt werden müssen.
Zu Rn. 1016
Der Bundesgerichtshof bestätigt die Zulässigkeit eines sog. überholenden Vortrags (5.9.2019 III ZR 73/18, BeckRS 2019, 22777 Rn. 32; 8.9.2021 VIII ZR 258/20, VRS 141(2022), 1 = BeckRS 2021, 29973 Rn. 23). Er bestätigt aber auch seine ständige Rechtsprechung, dass Widersprüche im Vortrag einer Partei im Rahmen der Beweiswürdigung zum Nachteil der betreffenden Partei berücksichtigt werden können.
Dies ist auch der Standpunkt der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, etwa LAG Rheinland-Pfalz v. 2.6.2016 2 Sa 500/15, juris Rn. 21 = BeckRS 2016, 73035 Rn. 17; LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 17.11.2023 5 Sa 141/22, BeckRS 2023, 35001 Rn. 31, 32 m. zust. Anm. Sievers, jurisPR-ArbR 3/2024 Anm. 3.
Zu Rn. 1019
Literaturhinweis:
Zu Rn. 1020
Ebenso für nicht protokollierte Äußerungen der Parteien im Rahmen einer Parteianhörung, sofern sie nicht zu Beweiszwecken dienen, BGH v. 23.4.2002 X ZR 29/00, BGH-Rechtsprechungsdatenbank, S. 7 f. = BeckRS 2002, 4868. Es ist ausreichend, wenn die Äußerungen der Parteien im Tatbestand oder wenigstens in den Entscheidungsgründen wünschenswert gedrängt wiedergegeben werden (BGH a.a.O.).
Zu Rn. 1027
Ebenso BGH NJW 2023, 983 Rn. 19.
Zu Rn. 1035
Ungeachtet dieser Rechtslage ist der Rechtsanwalt aufgrund seiner Pflicht zur umfassenden Rechtsberatung verpflichtet, seinen Mandanten auf diese taktischen Möglichkeiten hinzuweisen (BGH NJW-RR 2003, 1212 = MDR 2003, 928 ff.) weil, so ist zu ergänzen, das anzurufende Gericht ja vielleicht die dargestellte beweisrechtliche Lage nicht kennen und so auf die Tricks hereinfallen könnte.
Zu Fn. 2335
Zum Ganzen ausführlich auch Reinkenhof S. 104 ff.
Zu Fn. 2336
Die herrschende Meinung wurde von RG JW 1889, 17 Nr. 2 begründet. Die Minderheitsmeinung wird auch von AG Frankfurt a.M. VersR 1978, 878 (879) vertreten.
Zu Rn. 1042, 1043
Eine völlig neue Form der Augenscheinsvermittlung ist der Einsatz von Virtual Reality (VR). Siehe dazu:
Zu Rn. 1060
Wie die zitierte Rechtsprechung verlangt auch BGH NJW 2020, 691 Rn. 14, dass ärztliche Sachverständige »über die erforderliche medizinische Fachkompetenz und damit auf dem einschlägigen Fachgebiet über eine Spezialausbildung und Erfahrung verfügen«; ebenso Anders/Gehle/Gehle § 404 Rn. 6, 7. Der gegenteiligen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 118 SGG (BSG v. 12.5.2016 B 9 SB 101/15 B, BeckRS 2016, 69369 Rn. 8 [ohne Erwähnung der gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts!]), der das sozialgerichtliche Schrifttum (etwa jurisPK-SGG/Mushoff § 103 SGG Rn. 195; BeckOGK/Leopold § 118 SGG Rn. 85) ohne Problematisierung folgt, ist für den Zivilprozess nicht zu folgen.
Zu Rn. 1062
Zu Beginn des zweiten Absatzes muss es richtig lauten: »Bei der Auswahl und Bestimmung des Sachverständigen handelt ...«.
Zu Rn. 1063 Fn. 2409
Nach Cepl/Voß/Augenstein (3. Aufl. 2022) § 404 ZPO Rn. 8 ist es faktisch nicht möglich, dass eine Einzelperson demoskopische Gutachten erstattet.
Zu Rn. 1066a
Die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum ärztlichen Sachverständigen, die sich auf die Übernahme des Vortrags des jeweiligen Revisionsführers beschränkt und eine eigene faktenbasierte Begründung vermissen lässt, ist auch aus folgenden Gründen heute nicht mehr vertretbar (wobei darauf hinzuweisen ist, dass für Arbeitnehmer hinsichtlich der Zwangsverrentung wegen Erreichens der Altersgrenze andere Regeln gelten, vgl. Brigitte Huber, Altersdiskriminierung Zwangsruhestand in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der deutschen Arbeitsgerichte, in: Boemke/Lembke/Linck [Hrsg.], FS Gerrick Freiherr von Hoyningen-Huene zum 70. Geburtstag, München 2014, S. 157177; Stephan Sura, Altersgrenzen für Piloten, in: Schreiner/v. Steinau-Steinrück [Hrsg.], Arbeitsrecht in der anwaltlichen Praxis FS Axel Braun zum 65. Geburtstag, München 2024, S. 383412):
Der im Buch vertretene differenzierende Standpunkt findet sich auch in der Entscheidung OLG Dresden NJW-RR 2023, 1485 = MedR 2024, 118, wo er Rn. 10 beispielhaft umgesetzt wurde.
Zu Rn. 1070 Fn. 2450, 2451
Ebenso OLG Dresden DS 2021, 290 Rn. 5 (Oberarzt; grenzwertig); VersR 2023, 1318 = BeckRS 2023, 11041 Rn. 6, 7 (Assistenzarzt).
Zu Rn. 1086 Fn. 2502
Ebenso BVerwG v. 3.6.2014 2 B 105/12, Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 3 = BeckRS 2014, 53410 Rn. 41 ff. für den Fall der Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.
Zu Rn. 1087
Weitere Literatur:
Zu Rn. 1088
Anders ist die Sachlage zu beurteilen, wenn ein Sachverständiger seine Stellungnahme dreimal geändert hat, ohne dass die äußeren Umstände hierzu Veranlassung gegeben hätten (RG HRR 1940 Nr. 203; Döhring, Beweiserhebung S. 269).
Zu Rn. 10911102
Literaturhinweis:
Zu Rn. 1092 Fn. 2520
In BGH NJW 2024, 1037 Rn. 16 einerseits und Rn. 18 andererseits unterscheidet der Bundesgerichtshof dann wieder zwischen Indizienbeweis und Anscheinsbeweis.
Zu Rn. 1093
Der Anscheinsbeweis begründet weder eine zwingende Beweisregel noch eine Beweisvermutung und auch keine Beweislastumkehr zulasten einer Partei, BAG NJW 2024, 2781 Rn. 14.
Zu Rn. 1096
Der Bundesgerichtshof spricht in seinem Urt. v. 23.4.2024 VI ZR 348/21, DB 2024, 1610 = BeckRS 2024, 12623 mit zust. Anm. Zwickel MDR-Blog v. 21. Juni 2024 (https://tinyurl.com/ydxc5d7j) und Anm. Kääb FD-StrVR 2024, 813065 von einem »jedermann zur Verfügung stehenden alltäglichen Erfahrungswissen während der Pandemie«.
Zu Rn. 1097
Ebenso BGH NJW 2024, 1037 Rn. 19 und BAG NJW 2024, 2781 Rn. 13.
Zu Rn. 1101 Fn. 2550
Wie der Bundesgerichtshof jetzt auch BAG NJW 2024, 2781, wonach ein Beweis des ersten Anscheins bestehe, dass etwa ein Kündigungsschreiben am Zustelltag zu den üblichen Postzustellzeiten in den Hausbriefkasten gelegt wird.
Zu Rn. 1107
Der VIII. ZS des Bundesgerichtshofs bestätigt seine Rechtsprechung u.a. in WuM 2021, 38 Rn. 23 und NJW 2023, 3496 Rn. 16.
Zu Rn. 1108
In dieser Richtung auch OLG Bamberg v. 21.2.2022 8 U 248/21, BeckRS 2022, 41840 Rn. 19, 20:
»Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb erneute Feststellungen durch das Berufungsgericht gebieten.
Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen nur dann vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall erneuter Tatsachenfeststellungen die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Urteil vom 09.03.2005, Az.: VIII ZR 266/03, NJW 2005, 1583, 1584). Es gehört im Übrigen zu den Kernaufgaben eines Zivilgerichtes, aufgrund des gesamten Inhalts der Verhandlung einschließlich einer Anhörung der Parteien und durchgeführter Beweisaufnahmen den Sachverhalt im Wege freier Beweiswürdigung festzustellen, d.h. sich eine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung zu bilden, § 286 Abs. 1 ZPO. Die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse darf der Tatrichter folglich nach einer eigenen individuellen Einschätzung bewerten und ist hierbei lediglich an die Denk-, Natur- und Erfahrungssätze gebunden (Zöller/Greger, Kommentar zur ZPO, 33. Aufl., 2020, § 286 ZPO, Rdnr. 13 ff.). Einer Korrektur durch das Berufungsgericht unterliegt eine solche tatrichterliche Entscheidung nur innerhalb der vorstehend aufgezeigten Grenzen.«
Zu Rn. 1111
Ebenso BGH MDR 2024, 928 m. zust. Anm. Schmitt MDR 2024, 1362 ff. für den Fall der nur partiellen und oberflächlichen Würdigung einer Zeugenaussage durch das erstinstanzliche Gericht.
Zu Rn. 1112
Ebenso BGH NJW-RR 2023, 636 Rn. 11 ff., wenn sich das erstinstanzliche Gericht (etwa aufgrund von Zeugenaussagen) von dem Gegenteil dessen überzeugt hat, was eine Partei in einer persönlichen Anhörung erklärt hat, und in den Urteilsgründen von der Würdigung dieser Parteierklärung ganz abgesehen hat.
Zu Rn. 1114
Der Bundesgerichtshof bestätigt seine Rechtsprechung in 23.11.2023 V ZR 59/23, BeckRS 2023, 38056 und MDR 2024, 928 m. zust. Anm. Schmitt MDR 2024, 1362 ff.
Zu Rn. 1137 Fn. 2629
Ebenso OLG Dresden VersR 2023, 1534 = BeckRS 2023, 10959 Rn. 19.
Zu Rn. 1155 Fn. 2673
Es muss richtig »KG MDR 2018, 361 = BeckRS 2017, 137870 Rn. 9 mit der befremdlichen Behauptung« heißen.
Zu Rn. 1157
Der Verweis muss richtig »Rn. 1156« lauten.
Zu Rn. 1176 Fn. 2739
Auch BGH NJW 2019, 3147 Rn. 18 betont, dass der Antritt eines Beweises durch Sachverständigengutachten nur eine Anregung an das Gericht ist.
Zu Rn. 1212
Literaturhinweis:
Zu Rn. 1252
Weiterer Literaturhinweis:
Die Qualifizierung des Prozessfinanzierungsvertrags als Gesellschaftsvertrag ist ganz herrschende Meinung: so schon OLG Hamburg OLGRspr. 33 (1916), 119; ferner LG Köln NJW-RR 2003, 426 (427); Grunewald, Prozessfinanzierungsvertrag mit gewerbsmäßigem Prozessfinanzierer ein Gesellschaftsvertrag, BB 2000, 729 (731); dies., Rechtsschutzversicherungen und alternative Prozessfinanzierungen, AnwBl 2001, 540 (542); Dethloff, Verträge zur Prozessfinanzierung gegen Erfolgsbeteiligung, NJW 2000, 2225 (2227); Bräuer AnwBl. 2001, 112 (114); Maubach, Gewerbliche Prozessfinanzierung gegen Erfolgsbeteiligung, Diss. Bonn 2002, S. 95 ff.; Dimde, Rechtsschutzzugang und Prozessfinanzierung im Zivilprozess, Diss. Berlin 2003, S. 186 ff.; Kochheim, Die gewerbliche Prozessfinanzierung, Diss. Hamburg 2003, S. 90 ff.; Jaskolla, Prozessfinanzierung gegen Erfolgsbeteiligung, Karlsruhe 2004 (zugl. Diss. FU Berlin), S. 71; Gleußner, Prozessfinanzierung, in: Greger/Gleußner/Heinemann, Neue Wege zum Recht, FG für Max Vollkommer zum 75. Geburtstag, Köln 2006, S. 2560.
Die herrschende Meinung bejaht die Pflicht des Anwalts, seinen Mandanten auf die Möglichkeit der Prozessfinanzierung hinzuweisen, jedenfalls, wenn die Prozesskostenfrage sich bei hohen Streitwerten aufdrängt: OLG Köln NJW-RR 2019, 759; Ruby ZEV 2005, 383 (384); Buschbell, Prozessfinanzierung als Instrument der Anspruchsverfolgung Praktische Hinweise zum Umgang mit Prozessfinanzierern, AnwBl. 2006, 825 (826 unter 2.4 und 2.5); Kuhn/Trappe, 15 Jahre Prozessfinanzierung im Erbrecht, ZEV 2013, 246 (268).
Eine aktuelle Übersicht über Prozessfinanzierer (Stand Juni 2022) findet sich unter AnwBl Online 2022, 370 und https://tinyurl.com/598y5eny.
Zu Rn. 1256
Gegen eine Nachholung der in § 714 Abs. 1 ZPO genannten Anträge auch LG Berlin v. 17.12.2022 67 S 278/22, BeckRS 2022, 36632.
Zu Rn. 1294
Zu den Beratungspflichten eines Rechtsanwalts bei Wegfall der Erfolgsaussicht eines Rechtsstreits nach Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingehend OLG Jena r+s 2024, 279 = ZInsO 2024, 1714 = ZIP 2024, 2010.
Zu Rn. 1295
Zu Fn. 3026
Wie die herrschende Meinung auch OLG Rostock MDR 2024, 733 = NJ 2024, 277 = juris Rn. 4 m.w.N.
Abweichend auch AG Frankfurt a.M. v. 23.10.2008 30 C 730/08, BeckRS 2009, 5792. Die im Buch angeführte (auch in TranspR 2018, 494 veröffentlichte) Entscheidung des AG Hamburg sah es als ausreichend an, dass die Klägerin »durch Vorlage eines Ausdrucks aus ihrem Postausgangssystem die Bestätigung des Abrufs der E-Mail von dem Mailserver auf das E-Mail-Konto der Bekl.« beweisen konnte.
Zu Fn. 3027
Ebenso OLG Rostock MDR 2024, 733 = NJ 2024, 277 = juris Rn. 4.
Die Rechtsprechung, etwa der Bundesgerichtshof mit seiner Forderung, der Absender müsse »die Kenntnisnahme empfangener Nachrichten durch die Anforderung einer Lesebestätigung sicherstellen«, verkennt, dass das bloße Anforderung einer Lesebestätigung nichts beweist, weil letztere nicht erzwungen werden kann, da jedes marktgängige E-Mail-Programm dahin konfiguriert werden kann, dass eine Lesebestätigung nie oder nur nach Bestätigung im Einzelfall erteilt wird, was sogar aus Sicherheitsgründen empfohlen wird. Beweiskräftig wäre nur die Vorlage der Lesebestätigung (vgl. OLG Hamm v. 10.8.2023 I-26 W 13/23, juris Rn. 6). Wahrscheinlich liegt dieser Rechtsprechung eine Verwechslung der Lesebestätigung mit der weniger bekannten Übermittlungsbestätigung (englisch Delivery Status Notification [DSN]) zugrunde, die man über das eigene E-Mail-Programm anfordern kann und die dann häufig (aber eben nicht immer!) vom Mailserver des Empfängers automatisch erteilt wird, sobald die E-Mail im Postfach des Empfängers abgelegt wurde. Damit ist zwar nicht bewiesen, dass der Empfänger die E-Mail abgerufen oder gar gelesen hat. Dies ist aber im unternehmerischen Geschäftsverkehr unschädlich, wenn die E-Mail innerhalb der üblichen Geschäftszeit (spätestens an ihrem Ende, jurisPK-Internetrecht/Paschke, 8. Aufl. 2024, Kap. 4.2 Rn. 137) auf dem E-Mail-Server des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wurde, weil damit die E-Mail dem Empfänger grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugegangen ist dass sie abgerufen und zur Kenntnis genommen wurde, ist für den Zugang nicht erforderlich (BGH NJW 2022, 3791; OLG Hamm NJW 2024, 1353). Etwas anderes soll nach verbreiteter Ansicht in Schrifttum für einen Privatanschluss gelten, wenn der Empfänger diesen nicht auch dem geschäftlichen Verkehr bekanntgegeben hat, etwa im Rahmen einer Online-Bestellung (Dörner AcP 202 [2002], 363 [368]; jurisPK-BGB/Reichold, 10. Aufl. (Stand: 15.5.2023), § 130 BGB Rn. 24; a.A. Mankowski NJW 2004, 1901 [1902]; vermittelnd Henssler/Sossna ZAP 2023, 67 f.; BeckOK-BGB/Wendtland § 130 BGB Rn. 15; jurisPK-Internetrecht/Paschke, 8. Aufl. 2024, Kap. 4.2 Rn. 135: Zugang üblicherweise erst am folgenden Tag).
Weitere Literaturhinweise:
Zu Rn. 1299 Fn. 3035
Ebenso BGH NJW 2006, 2779.
Zu Rn. 1328, 1330
Die hier dargelegten Grundsätze sind auch Gegenstand der Entscheidung des OLG Hamm NJW-RR 2023, 880. Die Klage war erstinstanzlich abgewiesen und die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) waren teilweise verurteilt worden. Hiergegen legte der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin und der Drittwiderbeklagten namens und in Vollmacht der Klägerin Berufung ein. Als wichtige Besonderheit ist noch zu erwähnen, dass das Rubrum der Berufungsschrift vom erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nicht um die (übliche) Bezeichnung Berufungskläger/-führer ergänzt worden war. Das OLG Hamm entschied, dass die Berufung der Klägerin unbegründet und die Berufung der Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei. Burmann, jurisPR-VerkR 24/2023 Anm. 2 hat der Entscheidung insoweit zugestimmt.
Zu Rn. 1331
Der Bundesgerichtshof hat in NJW 2023, 2280 Rn. 13 seine Rechtsprechung dahingehend bestätigt, dass bei Nichterwähnung eines Streitgenossen im Rubrum mangels Vorliegen von aussagekräftigen Indizien wie etwa einem eingeschränkten Antrag im Zweifel davon auszugehen ist, dass die Berufung gegen alle Streitgenossen auf Beklagtenseite eingelegt worden ist; ferner hat er sich in Verkehrsunfallsachen der dargestellten herrschenden Meinung angeschlossen. Weshalb die Entscheidung BGH NJW-RR 2009, 208 auf dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung einen »Fauxpas« darstellen soll, wie Elzer FD-ZVR 2023, 457127 meint, ist nicht zu erkennen: Der Bundesgerichtshof geht dort in Rn. 5 explizit von seiner ständigen Rechtsprechung aus und legt dann in Rn. 7 eingehend und überzeugend dar, warum hier ein Ausnahmefall vorliegt.
Zu Rn. 1336
Der Bundesgerichtshof bestätigt in NJOZ 2023, 619 Rn. 15, 16 die dargestellten Anforderungen an eine Berufungsschrift, lässt aber wie schon in NJW 1993, 1719 eine Ausnahme zu, wenn das Berufungsgericht und der Gegner anhand der innerhalb der Berufungsfrist eingereichten Unterlagen das angefochtene Urteil zweifelsfrei bestimmen können.
Der Verweis muss richtig Rn. 1340 lauten.
Vor Rn. 1342
Die Überschrift muss natürlich »VI. Erklärung, dass Berufung eingelegt wird« lauten.
Zu Rn. 13461351
Soweit im Buch eine Dringlichkeitsvermutung im Markenrecht unter Bezugnahme auf die herrschende Rechtsprechung in Fn. 3144 verneint wird, ist dies zu korrigieren: Bedauerlicherweise wurde die Gesetzesänderung in § 140 Abs. 3 MarkenG (durch Art. 1 MaMoG v. 11.12.2018, BGBl. I S. 2357) übersehen. Eine analoge Anwendung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG auf Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus (OLG München GRUR-RR 2019, 443 Rn. 14 Medizinisches Fachpersonal; OLG Nürnberg MDR 2023, 1205 = WRP 2023, 1135 = GRUR-RS 2023, 18858 Rn. 8). Sy, jurisPR-WettbR 8/2023 Anm. 2 unter D hat darauf hingewiesen, dass sich schon aufgrund des Wesens des Geheimnisschutzes im Regelfall eine Dringlichkeit ergebe.
Zustimmend zu einer Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung durch Ausschöpfung gesetzlicher oder gerichtlicher Fristen (oder Terminsverlegungsanträge) Sy, a.a.O. (unter Hinweis auf BGH GRUR 2000, 151, wonach die herrschende oberlandesgerichtliche Rechtsprechung jedenfalls nicht willkürlich sei), ablehnend dagegen Gramlich/Lütke S. 474 ff.
Zu Rn. 1363 Fn. 3173
Die seit 1893 bestehende ständige höchstrichterliche Rechtsprechung wird von BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476 Rn. 9 und BAG NJW 2023, 1084 Rn. 8 bestätigt.
Zu Rn. 1365
Zu Fn. 3178
Ebenso jetzt OLG Zweibrücken v. 4.12.2023 9 U 141/23, BeckRS 2023, 38873 Rn. 20 ff.
Zu Fn. 3179
Anders aber BGH v. 7.9.2022 XII ZB 215/22, BRAK-Mitt. 2022, 336 für den Fall, dass »im Briefkopf nur eine einzige Rechtsanwältin neben anderen männlichen Rechtsanwälten aufgeführt ist«, denn »dies schließt nicht aus, dass eine im Briefkopf nicht aufgeführte Rechtsanwältin die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat«. Diese bei Juristen sehr beliebte, weil eine Auseinandersetzung mit den Realitäten des Einzelfalls erübrigende Argumentation, irgendetwas könne nicht ausgeschlossen werden (siehe näher Buch Rn. 984 und Ausnahme Rn. 875, 876) übersieht, dass die hier ja fiktive »im Briefkopf nicht aufgeführte [angestellte oder als freie Mitarbeiterin tätige] Rechtsanwältin« mit i.V. (für die im Briefkopf aufgeführten Sozien) hätte unterzeichnen müssen (siehe KG MDR 2008, 535 = KGR Berlin 2008, 527).
Anderer Ansicht auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (OVG Bautzen v. 21.9.2021 3 A 542/20, BeckRS 2021, 29174 Rn. 8; OVG Hamburg v. 12.8.2022 6 Bs 57/22, BeckRS 2022, 32909 Rn. 13 = DÖV 2023, 224 [nur Ls.]; OVG Lüneburg v. 31.1.2023 13 ME 23/23, BeckRS 2023, 931 Rn. 9 = DÖV 2023, 404 [nur Ls.]), wohl wegen § 124a Abs. 5 S. 2 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO jeweils ohne Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Eine dem rechtsuchenden Bürger geschuldete überzeugende Entscheidungsbegründung sieht anders aus.
Richtig dagegen OLG München v. 16.5.2023 9 U 1801/21 Bau, juris = IBRRS 2024, 0407, das unter schlichter Auswertung des Akteninhalts (Ersturteil, Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift, erstinstanzliche Vertretung des Berufungsführers durch den im Briefkopf ausgewiesenen Anwalt, Versendung der Schriftsätze aus dem elektronischen Anwaltspostfach des im Briefkopf ausgewiesenen Anwalts) feststellte, dass es »keinerlei Anhaltspunkte« gebe, dass ein anderer Rechtsanwalt tätig geworden sein könnte und deshalb die fehlende oder unzureichende Namensangabe als einfache Signatur genüge.
Zu Rn. 1367
Nach der herrschenden Theorie des sog. statusbezogenen Anwendungsbereichs besteht wie dargestellt die aktive Nutzungspflicht nach § 130d ZPO für einen Rechtsanwalt schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Rechtsanwälte (anders die Theorie des sog. rollenbezogenen Anwendungsbereichs). Im Einzelnen besteht sie nach h.M.
Zu Rn. 1368
Zu Rn. 1368a
Eine eingehende Darstellung der Übermittlung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) und ihrer Vorteile gegenüber der einfachen elektronischen Signatur bringen Sojka/Heinz.
Zu Rn. 1369
Es ist einhellige höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass ein elektronisches Dokument, das aus einem persönlich zugeordnetem beA (vgl. § 31a BRAO) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht ist, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person auch der tatsächliche Versender ist (BGH v. 7.5.2024 VI ZB 22/23, BeckRS 2024, 13165 Rn. 5; BAGE 171, 28 Rn. 14; BVerwG NVwZ 2022, 649 Rn. 5; BSG NJW 2022, 1334 Rn. 7).
Ob der Gesetzgeber mit dieser formalistischen Regelung gut beraten war, steht auf einem anderen Blatt.
Zu Rn. 1370
Zu den Prüfungspflichten des Rechtsanwalts zum Übermittlungsstatus bei Versendung per beA siehe auch BGH NJW 2023, 2433.
Zu Rn. 1372
Die Frage, wann eine Unmöglichkeit aus technischen Gründen vorliegt, beschäftigt die Gerichte immer wieder, wobei sich eine sehr restriktive Haltung der Rechtsprechung erkennen lässt.
Der BayVGH hat in seinem Beschl. v. 1.7.2022 15 ZB 22.286 (BRAK 2022, 258) folgende technische Gründe als anerkennenswert aufgezählt:
Der Bundesfinanzhof hat in BFH/NV 2024, 392 = DStZ 2024, 231 = juris Rn. 11 eine relevante Störung im Fall einer bewusst gewählten Umstellungsmaßnahme (Softwareupdate, Serverumstellung etc.) in einer Kanzlei verneint.
____________________
Zum Zeitpunkt der Ersatzeinreichung:
____________________
Zur Glaubhaftmachung der Fehlermeldungen (Fn. 3202): ebenso BayVGH BayVBl. 2022, 569
_____________________
Zur Vorhaltung eines zweiten Internetzugangs über Mobilfunk
Ähnlich dem OVG Münster MDR 2022, 1368 = ZInsO 2022, 2210 = BeckRS 2022, 23282 Rn. 4, 5 befürworten auch
die Vorhaltung eines zweiten beA-Clients und eines zweiten Internetzugangs über Mobilfunk. Letzterer führt aus: »Um bei unerklärlichen Fehlern mit der beA-Karte dennoch Schriftsätze wirksam einreichen zu können, empfiehlt sich der zusätzliche Erwerb eines Softwarezertifikats. Dieses kann zwar nicht für eine qualifizierte elektronische Signatur eingesetzt werden, wohl aber für den Versand auf einem sicheren Übermittlungsweg und für den mobilen Zugriff auf das beA-Postfach.«
Der im Buch gemachte Einwand gegen diese überspannte Forderung gilt auch weiterhin. Dem Staat war bei der Einführung des verpflichtenden elektronischen Rechtsverkehrs dessen technische Fehleranfälligkeit bekannt. Er darf die damit verbundenen Probleme nicht aus verfahrensfremden, etwa fiskalischen Gründen (vgl. zu diesen für das Verständnis des § 130d ZPO wichtigen Aspekt BGH NJW 2024, 2254 Rn. 25) auf die Anwaltschaft abwälzen. Nicht nur diese ist immer wieder mit den technischen Tücken der elektronischen Schriftsatzübermittlung konfrontiert, sondern auch die Justiz in Form häufiger Unerreichbarkeit der Gerichte wegen Ausfalls der Empfangsserver, Wartungsarbeiten sowie lokaler Stromausfälle (so etwa am 16.8.2024 im Rechenzentrum Münster), die beim heutigen Stand der Kenntnisse über Standortwahl und Einrichtung von Rechenzentren (etwa Einsatz betriebs- und georedundanter Rechenzentren, Vorhaltung von redundanten Netzersatz- und USV-Anlagen) nicht akzeptabel ist. Sehr erstaunlich sind die sich ständig verschärfenden Anforderungen an Rechtsanwälte auch angesichts des folgenden Vermerks in BGH v. 23.1.2024 X ZR 4/23, juris (in BeckRS 2024, 2622 nicht abgedruckt): »Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Kober-Dehm kann nicht unterschreiben, weil ihr keine Signaturkarte zur Verfügung steht. <Bacher>« Bei einem Rechtsanwalt wäre eine solche Entschuldigung nicht akzeptiert worden. Dieser bizarre Fall ist offenbar nicht singulär, vgl. Wolfgang Dötsch, Richterliche »e-Unterschrift« bei Problemen mit der Signaturkarte in Kollegialspruchkörpern? Keep it simple!, MDR 2024, R1724. Nach alledem kann natürlich der technikaffine Rechtsanwalt erwägen, überobligationsmäßig eine zweite technische Infrastruktur vorzuhalten (in dieser Richtung auch jurisPK-ERV Band 2/H. Müller § 130a ZPO Rn. 411.1), verpflichtet ist er aber nicht.
Im Übrigen haben sich die Genannten keine Gedanken darüber gemacht, wie ihre Forderung technisch umgesetzt werden kann. Hierzu einige Hinweise:
Daneben gibt es Lösungen innerhalb von Kanzleisoftware-Programmen (Überblick über diese Programme unter https://tinyurl.com/4eshbwsf und https://tinyurl.com/533eambm).
_____________________
Bert/Windau befassen sich in ihrem Blog-Beitrag »Von Sinn und Unsinn der Ersatzeinreichung« (https://tinyurl.com/yfhfawdt, abgerufen am 28.4.2024) mit den überzogenen Anforderungen mancher Oberlandesgerichte an die Glaubhaftmachung und machen sehr konstruktive Vorschläge zur Lösung der mit den entgegen Greger MDR 2024, 1014 nicht nur »gelegentlichen«, sondern ausweislich https://tinyurl.com/4pcy5b6s durchaus häufigen und überwiegend inakzeptablen Ausfällen der justizseitigen Empfangsmöglichkeiten verbundenen Probleme.
_____________________
Ob die Übergabe eines Schriftsatzes in der mündlichen Verhandlung in Papierform noch zulässig ist, ist umstritten:
Der Anwalt sollte in solchen Fällen erwägen, in der mündlichen Verhandlung ggf. zusätzlich von der Möglichkeit einer mobilen elektronischen Übermittlung Gebrauch zu machen (ebenso Herberger a.a.O.).
Zu Rn. 1373
Im Mai 2024 hat ein weiterer Betreiber von De-Mail, die 1&1 DE-Mail GmbH die Einstellung des Dienstes binnen zwölf Monaten angekündigt (https://tinyurl.com/45tb3des). Es verbleibt nur noch ein Anbieter, die FP Digital Business Solutions (https://www.fp-demail.de/). Übrigens endete am 31.8.2024 die De-Mail-Nutzung in der deutschen Verwaltung (https://tinyurl.com/mw9tvz7p).
Zu Rn. 1393 Fn. 3229
Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung in NJW-RR 2023, 1284 Rn. 11, 16 bestätigt.
Zu Rn. 1395, 1415, 1441, 1464
Im Fall eines laufenden Tatbestandsberichtigungsverfahrens kann eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist erfolgen (OLG Celle v. 2.12.2021 3 U 32/21, juris Rn. 13 = BeckRS 2021, 61148 Rn. 13), wenn ein dahin gehender eindeutiger Antrag gestellt und vom Vorsitzende ausdrücklich, wenn auch ggf. formlos bewilligt wird (BGH FamRZ 1990, 147 = NJW-RR 1990, 67; OLG Celle v. 2.12.2021 3 U 32/21, juris Rn. 23 = BeckRS 2021, 61148 Rn. 13). Eine stillschweigende Verlängerung gibt es dagegen nicht (BGH FamRZ 1990, 147 = NJW-RR 1990, 67; OLG Celle v. 2.12.2021 3 U 32/21, juris Rn. 23 = BeckRS 2021, 61148 Rn. 15).
Zu Rn. 1397
So zuletzt auch BGH NJW 2021, 2121 Rn. 9 ff.
Zu Rn. 1411
Das LAG Baden-Württemberg hat in seinem Urt. v. 13.2.2023 10 Sa 27/22, BeckRS 2023, 22929 = juris die in § 66 Abs. 1 S. 5 ArbGG verankerte strenge arbeitsrechtliche Rechtslage bestätigt und darauf hingewiesen, dass eine gleichwohl erfolgte zweite Verlängerung unwirksam ist und eine Wiedereinsetzung ausscheidet, weil die Rechtslage einem Anwalt bekannt sein muss.
Zu Rn. 1412, 1455
Der Bundesgerichtshof hat in NJW 2023, 1449 = MDR 2023, 1266 klargestellt, dass ein Berufungsführer grundsätzlich davon ausgehen darf, dass das Berufungsgericht bei einer Einwilligung des Gegners in eine weitere Fristverlängerung sein Ermessen erneut pflichtgemäß ausüben wird, ohne sich an die Bezeichnung der vorangegangenen Fristverlängerung als letztmalig zu halten oder deswegen andere als den in § 520 Abs. 2 S. 2 ZPO festgelegten Maßstab an die Begründetheit des Verlängerungsantrags anzulegen.
Zu Rn. 1436
Der Bundesgerichtshof bestätigt in den Beschl. v. 20.2.2024 VIII ZR 238/22, NJW-RR 2024, 548 und v. 29.5.2024 IV ZB 14/22, BeckRS 2024, 14820 seine Rechtsprechung, dass die Angabe eines falschen Aktenzeichens unschädlich ist. Entscheidend sei nur, dass der Schriftsatz vor Ablauf der gesetzten Frist in den Machtbereich des Gerichts gelangt sei.
Zu Rn. 1438
Ein Verstoß gegen die Mindestbegründungspflicht ist Gegenstand der Entscheidung BGH MDR 2024, 321 = BeckRS 2024, 1294, wo der Berufungsführer eine Fristverlängerung mit der bloßen Begründung beantragte, er sei »nicht in der Lage«, die Berufung fristgerecht zu begründen. Der Bundesgerichtshof sah darin zu Recht keinen (wenigstens konkludenten) Hinweis auf einen als erheblich anerkannten Grund.
Zu Rn. 1443
Der Bundesgerichtshof bestätigt in NJW 2023, 1812 Rn. 31 die Möglichkeit der wiederholten Fristverlängerung innerhalb der Monatsfrist des § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO, wobei es einer Zustimmung des Gegners nicht bedarf. Ob es dann auch keiner Anhörung des Gegners nach § 225 Abs. 2 ZPO bedarf, wurde vom Bundesgerichtshof nicht entschieden. Im Schrifttum ist die Frage umstritten. Während N. Schneider NJW-Spezial 2020, 219 (unter III) der hier vertretenen Ansicht zustimmt, verneint BeckOK-ZPO/Jaspersen § 225 Rn. 4 die Notwendigkeit einer Anhörung.
Zu Fn. 3322
Der erste Beleg muss richtig BGH NJW 2004, 2222 (2224) lauten.
Zu Rn. 1501
Der Verweis muss richtig Rn. 15251528 lauten
Zu Rn. 15251528
Die Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs, haben auf ihrer 76. Jahrestagung vom 6. bis 8. Mai 2024 in München in ihren »Münchener Thesen zum Zivilprozess der Zukunft« auf S. 9 folgende These B.4 formuliert: »Der Zivilprozess trägt den Anspruch an eine hohe Qualität und zugleich große Transparenz in sich. Die Gewährleistung eines entsprechenden Standards des Zivilprozesses wird erreicht, indem das Kammerprinzip und die Spezialisierung gestärkt werden.«
Ob es sich dabei nicht nur um ein Lippenbekenntnis handelt, wird sich erst noch zeigen müssen.
Zu Rn. 1546
Ein aktuelles Beispiel für eine fehlerhafte Berufungsbegründung im Fall sog. Mehrfachbegründungen (hier ein sog. Diesel-Fall) findet sich in BeckRS 2022, 47799 Rn. 23, 24.
Zu Rn. 1553
Wie berechtigt der Praxishinweis ist, bei Mehrfachbegründungen im Zweifel nicht zwischen rügepflichtigen selbständig tragenden Erwägungen und nicht rügepflichtigen bloßen Hinweisen zu differenzieren und alle Begründungen zu prüfen und anzugreifen, zeigt die Entscheidung BGH NJW-RR 2020, 503 = MDR 2020, 626 = VersR 2020, 1272, wo der Bundesgerichtshof auch »lediglich weiterführende« Ausführungen als rügepflichtig angesehen hat. Auch Toussaint weist in seinem Praxishinweis BeckRS 2020, 3531 auf die Gefährlichkeit einer solchen Mehrfachbegründung hin.
Zu Rn. 1564, 1565
Das Bundesarbeitsgericht bestätigt in NZA 2023, 320 Rn. 5 seine strengen Anforderungen an einen ausreichenden Berufungsvortrag:
»Nach § 64 VI 1 ArbGG iVm § 520 III 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren [!] Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 27.1.2021 10 AZR 512/18, NZA 2021, 811 Rn. 15).«
Zu Rn. 1575
Die absoluten Berufungsgründe werden in Rn. 784 behandelt (der Verweis nennt versehentlich Rn. 786).
Zu Rn. 1603
Der Bundesgerichtshof betont in MDR 2023, 794 = VersR 2023, 1461 = NJ 2023, 315 (m. zust. Anm. Klose) = NJOZ 2023, 602 die Bedeutung eines Privatgutachtens, weil es das Berufungsgericht zwingt, sich mit ihm und den Widersprüchen zu einem ggf. vorliegenden erstinstanzlichen Gerichtsgutachten eingehend auseinanderzusetzen.
______________________
Das OLG Dresden setzt seine beklagtenfreundliche Rechtsprechung fort, zuletzt etwa im Beschl. v. 12.10.2023 4 U 466/23, BeckRS 2023, 31318, die von Hüwe, jurisPR-MedizinR 2/2024 Anm. 2 aus der Sicht eines anwaltlichen Vertreters von Versicherungen, Krankenhäusern und Ärzten u.a. mit folgendem Argument verteidigt wird:
»Denn ohne ein derartiges Privatgutachten oder andere medizinische Ausführungen stellt sich die Situation in der Praxis in aller Regel so dar, dass das Berufungsgericht, das regelmäßig keine eigenen medizinischen Fachkenntnisse aufweist, die angegriffenen sachverständigen Wertungen nur dahin gehend überprüfen kann, ob diese in sich schlüssig und widerspruchsfrei sind. Dann wird das Berufungsgericht in der Praxis in aller Regel keinen Anlass zur Einholung eines weiteren Gutachtens sehen. Der Sachverständige würde absehbar schlicht an seinen schriftlichen Ausführungen festhalten.«
Zunächst ist schon die implizite Annahme, ein (unterstellt wissenschaftlich arbeitender und fortbildungswilliger) Arzthaftungssenat sei einem medizinischen Sachverständigen mehr oder weniger hilflos ausgeliefert, unzutreffend (vgl. Buch Rn. 1048, 1049). Ferner ist die als alternativlos unterstellte Heranziehung des erstinstanzlichen Sachverständigen durch die gängige Praxis durchaus fragwürdig (näher Buch Rn. 963). Weiter entspricht die Beschränkung der richterlichen Gutachtensprüfung auf eine Prüfung der »Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit« (die beiden Begriffe sind übrigens deckungsgleich) nicht ansatzweise den von Rechtsprechung und Lehre aufgestellten Grundsätzen und Regeln zur Überprüfung von Sachverständigengutachten, wie sie im Buch Rn. 10441090 dargestellt sind. Schließlich hätte die Argumentation von Hüwe zur Folge, dass für die ständige gegenteilige, auch verfassungsrechtlich fundierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Raum mehr bliebe.
Zu Rn. 1604
Das OLG Frankfurt a.M. folgt in NJW-RR 2022, 1005 = JurBüro 2022, 359 = r+s 2023, 1085 der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und bejaht im entschiedenen Fall die Erstattungsfähigkeit.
Zu Rn. 1606
Die hier dargestellte höchstrichterliche Rechtsprechung wird in BGH NJW 2023, 3496 Rn. 19 bestätigt.
Wie streng die Anforderungen an die Beanstandung der Beweiswürdigung trotz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind, zeigt die Entscheidung des OLG Hamm v. 16.10.2023 I-20 U 156/23, juris m. zust. Anm. Kemperdiek, jurisPR-VerkR 7/2024 Anm. 2 unter Abschn. D.
Zu Rn. 1621
Weitere Fälle offensichtlich unzulässiger Verwendung von Textbausteinen behandeln die Entscheidungen OLG München v. 15.10.2019 8 U 2471/19, BeckRS 2019, 53377 und OLG Stuttgart v. 14.12.2022 23 U 1853/21, BeckRS 2022, 47799 Rn. 24.
Zu Rn. 1652, 1653
Zur Unwirksamkeit der Unterzeichnung einer ersichtlich vom Rechtsanwalt nicht durchgearbeiteten Berufungsbegründung mit wirrem Inhalt schon BGH JR 1954, 463 = BeckRS 1954, 31391081.
Zum unzulässigen Zusatz »Unterzeichnend für den vom Kollegen verfassten und verantworteten Schriftsatz als Kammervertreter« siehe BGH NJW-RR 2023, 209 Rn. 13.
Zum zulässigen Zusatz i.V. siehe zuletzt etwa BGH NJW 2020, 618 Rn. 9.
Zum unzulässigen Zusatz i.A. siehe zuletzt etwa BGH NJW 2020, 618 Rn. 9 und vom Standpunkt der h.M. eingehend Deichfuß, Der Anwalt als Bote. Zur Unterzeichnung mit dem Zusatz »i.A.«, NJW 2016, 3132 ff.
Vollkommer, Unterzeichnung empfiehlt, alle Zusätze, auch solche, die von der Rechtsprechung zugelassen worden sind, wegzulassen, da sie überflüssig seien. Was den Zusatz i.V. angeht, ist dies aber im Hinblick auf KG MDR 2008, 535 = KGR Berlin 2008, 527 (siehe oben zu Rn. 1365 Fn. 3179) kaum vertretbar.
Zu Rn. 1655
Eine partielle Verwerfung der Berufung ist nur zulässig, wenn der betroffene Teil des Streitstoffes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig vom übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zu der Entscheidung über die übrigen Teile des Streitstoffes auftreten kann (BGH v. 27.3.2024 VI ZB 50/22, BeckRS 2024, 9703 Rn. 10; OLG Rostock NJW 2003, 2754 [2755]; Wieczorek/Schütze/Gerken § 522 Rn. 32; Zöller/Heßler § 522 Rn. 43; MüKo-ZPO/Rimmelspacher § 522 Rn. 12; Stein/Jonas/Althammer § 522 Rn. 14).
Zu Fn. 3810
Das Muster des Verwerfungsbeschlusses von Theimer/Theimer hat in der 9. Aufl. 2023 die Nr. 204.
Zu Rn. 1674
Dute, Zulässigkeit vor Begründetheit auch in der Berufung? NJW 2024, 2219 ff. kritisiert die herrschende Meinung und insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vorrang der Zulässigkeitsprüfung insbesondere mit dem Hinweis auf die dadurch bedingte hohe Arbeitsbelastung der Berufungsgerichte und dem Argument, eine vorgezogene Zurückweisung der Berufung als unbegründet berühre keine schutzwürdigen Belange des Berufungsführers.
Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vollständig ausgewertet wird, fehlt eine Auseinandersetzung damit, dass die Berufungsverwerfung nicht nur mit einem anderen Rechtsmittel als die Berufungszurückweisung angegriffen werden muss, sondern damit, dass § 522 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO diese Prüfung unzweideutig zwingend anordnen, während bei der Berufungszurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO dem Berufungsgericht ein gewisser Entscheidungsspielraum eröffnet ist. Eine hohe Arbeitsbelastung der Berufungsrichter (Rn. 10, 12, 13) und deren Unmut über das Bestehen des Bundesgerichtshofs auf die Beachtung des Gesetzes (Rn. 15) als Argumente gegen die Einhaltung des Gesetzes anzuführen, ist nicht vertretbar. Soweit Dute schließlich Rn. 22 einen Vorteil des von ihm bevorzugten Vorziehens der Begründetheitsprüfung für den Anwalt darin zu sehen glaubt, dass ein Regress wegen etwaiger Fehler des Anwalts auf der Ebene der formalen Berufungseinlegung und -begründung wegen der durch die Berufungszurückweisung bewiesenen Unbegründetheit ausscheide, ist darauf hinzuweisen, dass dem Anwalt immer noch ein Regress wegen einer inhaltlich unzulänglich begründeten Berufung droht, etwa, wenn das Berufungsgericht dem Anwalt vorwirft, eine unlängst veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs, aus der sich die Richtigkeit des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils zweifelsfrei ergebe, nicht berücksichtigt zu haben.
Zu Rn. 1679
In ähnliche Richtung ging Vorschlag von Neumiller KritV 50 (1912), 501 (506): »Nötig wird sich auch eine verschiedene Behandlung der Berufungen erweisen, je nachdem das Urteil revisibel ist oder nicht; nichtrevisble Bestätigungen könnten mit einigen Zeilen Gründen ohne Tatbestand abgetan werden.«
Die Ungleichbehandlung von zulässigen Berufungen gegen potentiell revisible und nichtrevisble Ersturteile im Rahmen der zweitinstanzlichen Sachprüfung lässt sich mit dem Rechtsmittelsystem aber kaum vereinbaren.
Zu Rn. 1702 Fn. 3880
Ein Ermessen des Gerichts in § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO a.F. wurde besonders nachdrücklich von BVerfG NJW 2008, 504 (505 unter III 3) abgelehnt.
Zu Rn. 1703-1707
Reinhard Greger hat in seiner verdienstvollen Untersuchung über die »Entwicklung des Zivilprozesses in den letzten 20 Jahren« (https://tinyurl.com/vkr63rtd [abgerufen am 28.9.2024]) auch die Zahlen zur Berufungszurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO zusammengestellt (jeweils für 2005, 2010, 2015, 2016, 2018, 2019, 2020, 2021, 2022, 2023).
Sie lauten für die Landgerichte:
12,1% 14,4% 14,5% 14,3% 13,8% 13,9% 14,6% 13,9% 14,4% 14,2%
Für die Oberlandesgerichte:
12,1% 15,5% 15,1% 15,0% 13,8% 10,5% 11,2% 18,9% 17,2% 15,9%
Die im Buch eingehend erörterten Vorwürfe, die Berufungsgerichte hätten und haben die Möglichkeit der Beschlussberufungszurückweisung missbraucht, erweisen sich damit auch in einem Langzeitvergleich als haltlos. Es zeigt sich auch, dass die Reform 2011 erwartungsgemäß ins Leere gegangen ist.
Zu Rn. 1725
Der Verweis muss richtig Rn. 1972, 1973 lauten.
Zu Rn. 1773
Bedenklich auch das Verfahren des OLG Dresden 8 U 1389/21, wo das Ersturteil des LG Leipzig vom 8.7.2021 (ZIP 2021, 1533 = BeckRS 2021, 17782), der Hinweisbeschluss vom 18.1.2022 (BeckRS 2022, 1345) und das weitgehend inhaltsgleiche Zurückweisungsurteil vom 30.3.2023 (BeckRS 2023, 11042) datieren.
Zu Rn. 1778
Zur Abgrenzung der Begriffe Müssen, Sollen, Können und Dürfen im Zivilrecht näher Erler S. 17 f. und Enneccerus/Nipperdey § 56 I 1 (S. 331 f.).
Zu Rn. 17891791
Wie schnell Berufungsgerichte mit formelhaften kurzen Fristsetzungen zur Hinweisreplik auf verfassungsrechtliche Abwege geraten können, zeigt eindrucksvoll der Fall BGH NJW 2018, 3316 (m. zust. Anm. Katzenmeier LMK 2018, 412417 und Prütting MedR 2019, 146 f.):
Zu Rn. 1795
Für formlose Zustellung KG v. 27.3.2024 2 U 109/22, juris Rn. 23, 24, das seinen Hinweisbeschluss aber selbst gegen Empfangsbekenntnis zugestellt hatte (Rn. 12).
Zu Rn. 1799 Fn. 4092
Ebenso OLG München v. 8.4.2020 8 U 6183/19, https://tinyurl.com/yhj5m6cc Rn. 7 = BeckRS 2020, 25256.
Zu Rn. 1800
So erneut BGH v. 14.8.2024 IX ZR 52/24, Rn. 7 ff.
Zu Rn. 1803
Literaturhinweis:
Zu Rn. 1804
Nicht erfolgversprechend ist auch der auf den ersten Blick trickreiche Versuch, ein Ablehnungsgesuch für den Fall zu stellen, dass das Gericht nach einem Hinweisbeschluss an seiner Ansicht festhalten sollte, weil ein solcher Antrag unzulässig ist (OLG Stuttgart NJW-RR 2013, 960), da die Ablehnung von Gerichtspersonen grundsätzlich bedingungsfeindlich ist (BGH v. 25.9.2013 AnwZ (Brfg) 51/12, BeckRS 2013, 20953; BFH BFH/NV 1995, 687 = BeckRS 1994, 12477; LSG Berlin-Brandenburg v. 13.9.2011 L 34 SF 392/11, BeckRS 2011, 76535).
Zu Fn. 4105
Auch KG v. 15.11.2023 10 W 195/23, BeckRS 2023, 32584 verneint bei Hinweisen nach § 139 ZPO grundsätzlich eine Befangenheit.
Zu Rn. 1805, 1806, 1814
Literaturhinweise zum Rügeverlust aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes:
Die Nachweise in Fn. 4107 sind um folgende Entscheidungen zu ergänzen:
Fahl wirft der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, sie zwinge die Prozessbevollmächtigten in Verschiebung der bisherigen Aufgabenverteilung zwischen Parteien und Gericht zu erneutem umfangreichen wiederholenden und über den bislang gebotenen Tatsachenvortrag und Vortrag zur rechtlichen Würdigung hinausgehenden prozessrechtlichen Vortrag. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass es schon bislang keine Regel gab, dass die Parteien nicht ggf. zu prozessualen Fragen vortragen müssten. Gäbe es keine Pflicht zu ggf. umfassendem Rechtsvortrag, hätten die Zuweisung der Rechtsberatung und Rechtsvertretung an Rechtsanwälte (§ 3 Abs. 1 BRAO) und der Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO) keinen Sinn. Zum anderen verlangt die Rechtsprechung keineswegs, den bisherigen Vortrag mehr oder weniger vollständig zu wiederholen im Gegenteil ist Vielschreiberei bekanntlich sowohl erst- als auch zweitinstanzlich fehlsam, wie in Rn. 16211623 dargelegt. Der Inhalt einer Hinweisreplik ist in Rn. 1799 beschrieben (zu Rechtsausführungen siehe ergänzend Rn. 159163).
Zu Rn. 18161833
Die Darstellung der möglichen Rechtsbehelfe ist um die Dienstaufsichtsbeschwerde zu ergänzen. Dieser aus dem Petitionsrecht nach Art. 17 GG abgeleitete formlose Rechtsbehelf wird vom Dienstaufsichtsberechtigten (§ 26 Abs. 1 und 2 DRiG) verbeschieden, das sind der Präsident des Amtsgerichts oder des übergeordneten Landgerichts (§ 22 Abs. 3 S. 1 GVG) oder der Präsident des Oberlandesgerichts (§ 115 GVG). Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist strukturbedingt (es gibt kein gesetzlich geregeltes Verfahren) erfolglos (Leonhardt S. 111) es ist an den jedem Juristen bekannten Spruch »formlos fristlos fruchtlos« zu erinnern.
Zu Rn. 1818
Der Zusammenhang mit § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist in Rn. 753 behandelt.
Der Bundesgerichtshof hat die höchstrichterliche Rechtsprechung, dass nur die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG rügefähig ist, im Beschl. v. 20.12.2022 X ZR 58/20, GRUR-RS 2022, 40572 Rn. 7 bestätigt.
Auf der Heiden Rn. 17 nennt die richtige Bestimmung des Gegenstands der Gehörsrüge zunächst ein Scheingefecht, kommt dann aber, wenn auch ohne Berücksichtigung des § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und ohne eingehende Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, zu der auch von der herrschenden Meinung vertretenen Auffassung.
Zu Rn. 1821
Ebenso jetzt auch BGH FamRZ 2024, 198 Rn. 10.
Zu Rn. 1835
Eine neuere Darstellung bietet N. Schneider, Terminsgebühr im »Verfahren nach § 522 II ZPO«, NJW-Spezial 2023, 347.
Zu Rn. 1879 Fn. 4252
Theimer/Theimer a.a.O. sehen nun in der 9. Aufl. 2023 eine Anschlussberufung gegen die Kostenentscheidung als zulässig an.
Zu Rn. 1895
Der Bundesgerichtshof bestätigt seine ständige Rechtsprechung in NJW-RR 2023, 1166 Rn. 11, 13 = MDR 2023, 995, und zwar auch für den Fall, dass der hilfsweise erhobene Klageanspruch erstmals in der Berufungsinstanz schlüssig dargelegt wird.
Zu Rn. 1916 Fn. 4307
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2022 ist auch in BGHZ 232, 284 Rn. 16 ff. veröffentlicht. Ihr folgt OLG Karlsruhe v. 24.4.2024 6 U 88/21, BeckRS 2024, 9115 Rn. 183.
Zu Rn. 19611967
Der Bundesgerichtshof hat in NJW-RR 2023, 1356 Rn. 11 entschieden, dass was an sich selbstverständlich sein sollte das Gericht nach der Zulassung eines neuen Verteidigungsmittels nach § 531 Abs. 2 ZPO dem Gegner ermöglichen muss, hierzu Stellung zu nehmen.
Zu Rn. 1962
Zur unzulässigen alternativen Klageerhebung siehe auch BGH v. 11.11.2022 V ZR 213/21, BeckRS 2022, 37587 m. Anm. Elzer FD-ZVR 2023, 455183.
Zu Rn. 1973
Zur Sinnhaftigkeit einer Vorberatung überzeugend E. Schneider, Voten S. 138 unter II.
Zu Rn. 1975
Zur Erarbeitung eines Votums grdl. E. Schneider, Voten, passim.
Zu Rn. 1979
Zum besseren Verständnis, warum ein Gericht die Parteien persönlich anhören und dazu deren Erscheinen nach § 141 ZPO anordnen sollte:
Voraussetzung für ein richtiges Urteil ist, was häufig verkannt wird, die vollständige und richtige Erfassung der Interessen der Beteiligten und des Sachverhalts (eingehend und überzeugend Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. Baden-Baden 2020, Rn. 6777). Erste und beste, weil unmittelbare Informationsquelle sind die Parteien (und ggf. ihre Hinterleute wie etwa Angehörige, Versicherungen, Prozessfinanzierer, vgl. Reimer Rn. 73). All dem Rechnung zu tragen, ist Ziel der §§ 139 Abs. 1, 141 ZPO wie auch einer etwaig anschließenden Beweisaufnahme. Es geht im Zivilprozess (wie in noch stärkerem Maße im Strafprozess) in erster Linie um Tatsachen getreu dem Spruch, dass ein Lot Rechtsfragen auf einen Zentner Tatsachen komme (nach einer Untersuchung aus den Jahren 1971/75 dominierten erstinstanzlich tatsächliche Probleme zu 55,5%, in weiteren 25,5% der Fälle gab es auch streitige Tatsachen (richtiger: Sachverhalte, vgl. Buch Rn. 791795), Rechtsfragen dominierten nur in 19% der Verfahren, während sich die Zahlen im landgerichtlichen Berufungsverfahren zu 29%/38%/33% veränderten, vgl. Bender/Schumacher, Erfolgsbarrieren vor Gericht, Tübingen 1980, S. 137 unter 1.4.7 und S. 146 unter 2.2).
Bereits 1989 war die Gemeinsame Kommission Deutscher Anwaltsverein e.V./Deutscher Richterbund/Bund Deutscher Verwaltungsrichter nachdrücklich für die Anwesenheit der Parteien in der mündlichen Verhandlung eingetreten (Vorschläge zur Verbesserung und Entlastung der Justiz, DRiZ 1989, 241 ff.).
Die Einbindung des Mandanten in die mündliche Verhandlung aus Anwaltssicht behandelt auch Clausen, Mündliche Verhandlung beim FG, http://bfh-anwalt.de/?p=65 (abgerufen am 27.3.2024) im Abschnitt »Teilnahme des Mandanten an der gerichtlichen Verhandlung«.
Zu Rn. 2026 Fn. 4496
Ebenso BGH NJW-RR 2008, 85 Rn. 20.
Zu Rn. 2065
Der Bundesgerichtshof bestätigt in NJW-RR 2023, 768 Rn. 14, 23 die herrschende Rechtsprechung.
Zu Rn. 2104
Von geringer praktischer Bedeutung ist Möglichkeit, ein Widerrufsrecht nachträglich zu vereinbaren. Wirksam wird eine solche Vereinbarung nur, wenn sie in der Form eines gerichtlichen Vergleichs, also der Protokollierung gem. § 160 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 5 ZPO erfolgt (BGH NJW 1964, 1524 [1525]; 1982, 2072 [2073]; NJW-RR 2018, 1023 Rn. 15).
Zu Rn. 2108
OLG Köln NJW 2023, 305 bestätigt, dass ein Vergleichswiderrufsschriftsatz seit 1.1.2022 nur per beA übermittelt werden kann.
Zu Rn. 2129 Fn. 4686
Wie die h.M. auch Zimmermann, Prozessvergleich S. 2141 unter II Nr. 7 lit. b.
Zu Rn. 2130 m. Fn. 4689
Die Problematik einer Gebührenreduktion analog KV 1223 KG ist umstrittener als im Buch angenommen. N. Schneider, Vorsicht Falle hat dankenswerterweise eine umfangreiche Rechtsprechungsübersicht zusammengestellt, aus der sich die von ihm zu Recht kritisierte ablehnende Meinung als herrschend ergibt. Genannt werden:
Es bejahen also bislang nur drei von sechs Oberlandesgerichten eine Gebührenreduktion (für die Minderheitsmeinung ist noch OLG München NJW 2015, 1765 zu erwähnen). N. Schneider rät deshalb, nicht auf Begründung und Rechtsmittel zu verzichten, um sich die Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde nach §§ 91a Abs. 2; 567 ZPO offenzuhalten.
Zu Rn. 2131 Fn. 4692
Die missglückte Formulierung »Rechtskraft des Vergleichs« findet sich auch in der 9. Aufl. 2023, und zwar jetzt im Muster 234 (S. 398).
Zu Rn. 2150
Der Verweis muss richtig Rn. 2157 lauten.
Zu Rn. 2151, 2153
Der Bundesgerichtshof bestätigt in NJW 2023, 2195 Rn. 1016 seine ständige Rechtsprechung zu den Anforderungen an die anwaltliche Beratung zum Ob und Wie einer vergleichsweisen Beendigung eines Rechtsstreits.
Zu Rn. 2157
Weitere Literatur:
Zu Rn. 2166
Weitere Literatur zu revisionsrechtlichen Fragen im arbeitsgerichtlichen Verfahren:
Hinweis zum Sachverzeichnis
Der Verlag hat wegen zahlreicher Setzfehler dankenswerterweise ein separates typographisch berichtigtes Sachverzeichnis veröffentlicht, das dem Buch beigefügt wird. Eine laufend verbesserte Version finden Sie unter Materialien.